Gnade
heranzukommen. Theo schob immer wieder die kleine Hand beiseite. Er gewann langsam den Eindruck, als befände er sich in einem wildfremden Land, wo kein Mensch seine Sprache verstand.
»Ich bin kein Footballtrainer!«, brüllte er plötzlich. Alle verstummten. »Habt Ihr das endlich kapiert? Ich bin kein Footballtrainer.«
Endlich hatte er die Sache im Griff. Theo war äußerst zufrieden mit sich, er lehnte sich zurück und wartete, bis die Wahrheit zu ihnen durchgedrungen war.
Aber seine Ankündigung brachte niemanden aus der Fassung. »Diese Jungs sind mächtig erpicht drauf, etwas zu lernen«, sagte Conrad beharrlich. »Aber ich möchte Sie nicht unter Druck setzen, Theo, auf gar keinen Fall! So was tun wir nicht in Bowen. Stimmt’s, Daryl? Wir gehen hier alles langsam an.«
»Ja, so ist es«, bestätigte Daryl.
Conrad riss ein Stück von dem Papier ab, beugte sich über den Tisch und schrieb. Dann faltete er den Zettel zusammen und schaute Theo an.
»Der Direktor unserer Schule ist momentan in Memphis, aber bevor ich hergefahren bin, habe ich mit ihm telefoniert.« Er schob Theo den Zettel zu und deutete darauf. »Wir beide denken, dass Sie damit zufrieden sind.«
Er stand auf und nickte Cherry zu. »Ich darf Billie nicht länger warten lassen. Tut mir Leid, dass ich Sie vom Abendessen abgehalten habe. Theo, ich freue mich, Sie morgen bei unserem Training wiederzusehen. Mike weiß, wann und wo es stattfindet.«
Er reichte Theo die Unterlagen, die er mitgebracht hatte, schüttelte ihm die Hand und sagte, es sei ihm ein Vergnügen gewesen, ihn kennen zu lernen. Dann bahnte er sich einen Weg durch die Jungs zur Tür. Auf der Schwelle blieb er jedoch noch einmal stehen. »Sie haben nicht zufällig ein Lehrerdiplom, Theo?«
»Nein.«
»Das dachte ich mir schon, aber ich wollte Sie wenigstens danach fragen. Es ist schon in Ordnung. Sie brauchen sich deshalb keine Sorgen zu machen. Die Schulbehörde wird in dieser Sache kooperativ sein – schließlich sind es besondere Umstände. Gute Nacht allerseits!«
Theo lief Freeland nicht nach, um alles klarzustellen. Er entschied, dass das bis zum morgigen Training warten konnte. Er wollte das mit dem Lehrer unter vier Augen besprechen, nicht in Anwesenheit der Jungen und ihrer Eltern.
»Mama, wann essen wir?«, fragte John Patrick.
»Ich stelle den Eintopf sofort auf den Tisch.«
»Wir sollten jetzt gehen«, sagte Theo zu Michelle.
»Bleiben Sie nicht zum Essen?«, fragte Cherry. »Wir haben genug für alle.«
Theo schüttelte den Kopf. »Normalerweise würde ich das Angebot annehmen, aber im Moment kann ich wirklich kein Abendessen vertragen. Ich habe etwas von Jakes Gumbo gegessen, und es war ein bisschen zu scharf für mich. Mein Magen rebelliert.«
Das war natürlich eine Lüge, aber Michelle fand sie sehr überzeugend. Cherry nickte mitfühlend, nur Daryl blickte Theo ein wenig argwöhnisch an.
»Wir haben immer genug, um Gäste zu bewirten.«
»Er kommt aus der Großstadt, Daryl«, warf Michelle ein, als würde das Theos Verhalten erklären.
»Das hab ich ganz vergessen«, sagte Daryl. »Ich schätze, Jakes Gumbo macht Ihnen zu schaffen, weil sie keine scharfen Speisen gewohnt sind.«
»Ich könnte Ihnen meinen Spezialtee aufbrühen«, bot Cherry an. »Der würde Ihren Magen in null Komma nichts wieder in Ordnung bringen.«
»Das wäre toll!«
Daryl nickte. »Dann mach ihm doch einen, Cherry! Dr. Mike, würde es Ihnen etwas ausmachen, mir den Verband zu wechseln, solange Sie noch hier sind?«
Und während Michelle Daryl einen frischen Verband anlegte und Cherry ihre Kinder mit Essen versorgte, schlürfte Theo den heißen, bitteren Tee in der nicht minder heißen, schwülen Küche. John Patrick bestand darauf, neben Theo zu sitzen, und als der Kleine fertig gegessen hatte, knurrte Theos Magen laut und beharrlich. Es kostete ihn große Selbstbeherrschung, dem Jungen nicht das selbst gebackene Plätzchen aus der Hand zu reißen.
Nachdem Theo seine dritte Tasse Tee ausgetrunken hatte, verließen er und Michelle die Watersons. John Patrick nahm seine Hand und führte ihn auf die Veranda. Dort zupfte der kleine Junge an seinem Hemd und sagte: »Morgen habe ich Geburtstag. Schenkst du mir was?«
»Das hängt ganz davon ab, was du dir wünschst«, entgegnete Theo. »Hast du etwas Spezielles im Sinn?«
»Vielleicht könntest du mir ein großes Gewehr mitbringen.« Er ließ Theos Hand los und spähte über die Schulter. »Aber sag Mama nichts
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