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Gnade

Gnade

Titel: Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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davon!«
    »Nein, bestimmt nicht.«
    Michelle war schon die Stufen hinuntergegangen und wartete am Auto.
    »Dieses Kind!«, murmelte Theo, als er den Wagen auf die Straße zurücksetzte. »Ich habe das Gefühl, dass wir in fünfzehn Jahren in der Zeitung etwas über den Jungen lesen.«
    »Er ist ein Engel.«
    »Er ist blutrünstig!«, widersprach er. »Ich kapiere das nicht. Er hat mindestens vier ältere Brüder, richtig?«
    »Ja, und?«
    »Warum sagen die dieser Lois nicht, dass sie ihn in Ruhe lassen soll? Ich habe früher immer auf meine jüngeren Geschwister aufgepasst. Ich hätte nicht zugelassen, dass ihnen irgendjemand Angst einjagt. Dafür sind große Brüder doch da!«
    »Passen Sie immer noch auf sie auf?«
    »Passen Ihre Brüder denn auf Sie auf?«
    »Sie versuchen es«, sagte sie. »Zum Glück ist Remy in Colorado, also kann er sich nicht mehr in mein Leben einmischen, und John Paul war stets ein wenig zurückhaltender. Natürlich taucht er immer noch zu den unmöglichsten Zeiten bei mir auf. Ich glaube, Daddy schickt ihn hin und wieder zu mir.«
    John Patrick winkte ihnen heftig zu. Michelle kurbelte das Fenster herunter und winkte zurück. Theo gab Gas. Er blickte kurz in den Rückspiegel und schüttelte den Kopf. »Ich sage Ihnen, der Junge ist nicht normal.«
    Michelle lachte. »Er ist ein ganz normaler kleiner Junge.«
    »Lois ist aber keine Nachbarin, oder?«
    »Also ist Ihnen aufgefallen, dass kein Haus in der Nähe steht? Kein Wunder, dass Sie fürs Justizministerium arbeiten! Sie sind ein richtig guter Beobachter.«
    »Hey, ich bin im Urlaub«, gab er zurück. »Ich darf also unaufmerksam sein. Verraten Sie mir nun, wer oder was Lois ist? Ein Opossum? Nein, ich wette, es ist ein Waschbär! Es ist doch wohl keine Schlange, oder? Sie können nämlich Löcher graben, und …«
    »Lois ist ein Alligator.«
    Theo trat auf die Bremse und wäre um ein Haar gegen eine dicke Eiche geprallt. Er wusste, dass Alligatoren im Sumpf lebten – er hatte immer begeistert den National Geographic gelesen, und wenn er nicht schlafen konnte, sah er sich gern Dokumentarfilme über Tiere an –, aber ihm wäre nie in den Sinn gekommen, dass sie sich menschlichen Behausungen näherten. Und welcher Mensch, der noch klar bei Verstand war, gab einem Alligator den Namen Lois? »Wollen Sie damit sagen, dass ein ausgewachsener, lebendiger Alligator im Hinterhof des Hauses lebt?«
    Theos Gesichtsausdruck war wirklich zu komisch. Er sah aus, als sei er gerade dahinter gekommen, dass es Gespenster gab.
    »Genau das will ich damit sagen! Die Weibchen bleiben gern an einer Stelle. Lois hat sich den Hinterhof als ihr Zuhause ausgesucht. Sie jagt jeden, der es wagt, ihr Territorium zu betreten – zumindest hat sie das getan, bis mein Bruder sie weggeschafft hat. Übrigens, ich wäre dankbar, wenn Sie das Ben Nelson gegenüber nicht erwähnen würden. Alligatoren sind eine geschützte Tierart, und mein Bruder könnte in Schwierigkeiten kommen.«
    »Gebt ihr hier allen Alligatoren Namen?«
    »Nur einigen.«
    Er fuhr sich über die Stirn. »Menschenskind!«, flüsterte er.
    »Sie haben nun bestimmt große Lust, zurück nach Boston zu fahren.«
    »Nicht, bevor ich angeln war! Verraten Sie mir, wie ich von hier aus zu Ihrem Haus komme?«
    Sie erteilte ihm genaue Anweisungen, und bevor er sichs versah, waren sie in St. Claire angelangt, wo es tatsächlich Gehsteige gab. Als sie an einer Ampel abbogen, erblickte er die bekannten zwei gelben Bögen auf einem Schild am Ende der Straße.
    »Ah«, seufzte er. »Die Zivilisation!«
    »Ich werde trotzdem ein gesundes Abendessen zubereiten, wenn wir nach Hause kommen«, kündigte Michelle an. »Aber ich dachte …«
    »Was?«
    »Sie haben sich eine Belohnung verdient.«
    »Warum denn das?«
    »Weil Sie mit knurrendem Magen in dieser stickigen Küche saßen und tapfer den heißen Tee getrunken haben, weil Sie John Patrick nicht das Plätzchen geklaut haben, obwohl Sie es hungrig wie ein Wolf angestarrt haben, und weil …«
    »Ja?«
    »Weil Sie zugelassen haben, dass Daddy Sie für seine Interessen benutzt.«

16
    Ein ganzer Tag war inzwischen vergangen, seit der Umschlag abgegeben worden war. Cameron wartete mit den anderen erneut in Johns Bibliothek auf Dallas und den Bericht über Monks Aktionen.
    Das Warten machte ihn wahnsinnig. Wie hatte er nur in diese Situation geraten können? Was war mit ihm geschehen? Als er mit alldem anfing, hatte er solche großen Träume und Hoffnungen gehabt. An

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