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Gnade

Gnade

Titel: Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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Grund für seine Luftnot. Aber dann bemerkte sie, dass sie ähnlich kurzatmig war.
    »Nicht was?«, wiederholte er, beugte sich zu ihr und küsste sie noch einmal. Es war ein leichter, zarter Kuss, der Sehnsucht nach mehr weckte.
    »Ich weiß nicht.«
    »Das hier gleitet uns aus der Hand.«
    Sie legte ihre Stirn an seine Brust, und als sie nickte, stieß sie mit dem Kopf gegen sein Kinn.
    »Und da wir gerade von Händen sprechen …«
    »Ja?«
    Er drückte einen Kuss auf ihren Scheitel. »Du solltest deine vielleicht woanders hinlegen.«
    »Was?«
    »Deine Hände.« Seine Stimme war rau.
    Michelle schnappte nach Luft. »O Gott!«
    Es dauerte etwa fünf Sekunden, bis sie ihre Hände aus seiner Jeans befreit hatte. Als sie sich umdrehte, brannte ihr Gesicht vor Scham. Sie stieg eilig die Treppe hinauf, ging ins Bad und zog sich aus. Nachdem sie die Dusche voll aufgedreht hatte, stieg sie in die Wanne. Als sie den Duschvorhang mit einer energischen Bewegung zuzog, zerriss er beinahe.
    »Grund Nummer eins«, knurrte sie. »Er wird mir das Herz brechen.«

23
    Als Theo und Michelle in den Schwan kamen, war es Viertel vor sieben, und in der Kneipe herrschte bereits Hochbetrieb. Uralte Vans und verrostete Pick-ups mit Stickern und Aufklebern auf den Kühlergrills und Stoßstangen parkten vor dem Haus. Am häufigsten las Theo das Wort »Gator-Aid« in grellen Neonbuchstaben. Als er genauer hinsah, erkannte er, dass ein Alligator mit einem Heftpflaster abgebildet war. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was das zu bedeuten hatte.
    Zudem fiel ihm auf, dass kein einziges neues Fahrzeug auf dem Parkplatz stand. Falls er noch irgendwelche Zweifel gehegt hatte, dass die Menschen in dieser Gegend nicht gerade begütert waren, stand ihm jetzt der eindeutige Beweis vor Augen. Einige der Pick-ups sahen aus, als gehörten sie auf den Schrottplatz. Aber eins hatte er in der kurzen Zeit in Bowen gelernt: Die Leute sorgten dafür, dass die wenigen Dinge, die sie besaßen, funktionsfähig blieben.
    »Worüber denkst du nach?«, wollte Michelle wissen und ging um einen verbeulten grauen Van herum.
    »Darüber, wie mühsam es sein muss, sich hier den Lebensunterhalt zu verdienen«, antwortete er. »Aber weißt du was? Ich habe noch nicht eine einzige Klage gehört.«
    »Nein, die Leute jammern nicht. Dazu sind sie viel zu stolz.«
    »Habe ich dir schon gesagt, dass du heute Abend sehr hübsch aussiehst?«, fragte er.
    »In diesem alten Ding?«
    Das »alte Ding« war ein kurzes, blauweiß kariertes Sommerkleid mit V-Ausschnitt, und Michelle hatte etwa zwanzig Minuten gebraucht, bis sie sich dafür entschieden hatte. Weitere zwanzig Minuten waren für das Frisieren ihrer Haare draufgegangen. Sie trug sie offen, und sie schmiegten sich sanft um ihr Gesicht. Michelle hatte sich die größte Mühe gegeben, ihr Haar ein wenig lockig aussehen zu lassen, ohne dass man diese Anstrengungen bemerkte. Danach hatte sie Rouge aufgelegt, um die Wangenknochen zu betonen, und außerdem etwas Lippenstift und Gloss benutzt. Als ihr klar wurde, dass das Bemühen um ihre äußere Erscheinung schon fast zwanghaft war – sie hatte das Kleid dreimal an- und wieder ausgezogen – und dass sie das Ganze natürlich nur für Theo veranstaltete, hatte sie auf der Stelle damit aufgehört.
    »Wenn dir jemand ein Kompliment macht, solltest du dich bedanken! Du siehst heute Abend sehr hübsch aus«, wiederholte Theo, »in diesem ›alten Ding‹.«
    »Du machst dich gern über mich lustig, was?«
    »Hmm.«
    Dabei hatte er gelogen – sie sah nicht nur sehr hübsch aus. Aber er konnte nicht in Worte fassen, wie ihm zumute gewesen war, als Michelle die Treppe herunterkam. Sie ist scharf wie Dynamit, war ihm durch den Kopf geschossen, einfach atemberaubend! Sie hätte ihren hellen Spaß an diesem Kompliment, dachte er bei sich.
    »Es ist eine Sünde, sich auf Kosten anderer zu amüsieren!« Mit diesen Worten holte Michelle ihn in die Realität zurück.
    Theo öffnete ihr stumm die Tür und folgte ihr zum Eingang. Dort blieb er stehen und las das handgeschriebene Schild an der Wand. »Kein Wunder, dass hier heute so viel los ist. Man bekommt so viel Bier, wie man trinken kann.«
    Michelle lächelte. »Man bekommt, so viel man trinken kann, solange man jedes Glas bezahlt und danach nicht mehr Auto fährt. Aber das wissen die Leute.«
    »Es riecht gut. Lass uns etwas essen! Ich hoffe nur, es ist nicht zu scharf.«
    »Heute ist Mittwoch, da gibt es Flusskrebse und Pommes –

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