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Gnade

Gnade

Titel: Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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hörte sie nicht. Er wollte nur schnell weg, bevor noch jemand sein Gesicht sah. Er rannte durch die Umkleideräume ins Freie und über den Parkplatz. Er keuchte vor Anstrengung, sank schließlich gegen die Tür seines Autos und beugte sich vor, um wieder zu Atem zu kommen. Dann fummelte er mit zitternden Händen am Türgriff herum. Plötzlich hörte er ein Geräusch hinter sich und wirbelte herum.
    Seine Augen wurden riesengroß. »Was zum Teufel treiben Sie hier? Wieso schleichen Sie sich an mich heran? Verfolgen Sie mich etwa?«
    »Ich frage mich, was Sie hier machen!«
    »Ich tue, was getan werden muss«, erklärte er. »Keiner hat in der Sache bisher irgendetwas erreicht. Diese Ärztin wird mich nie wiedersehen. Es war das Risiko wert. Ich weiß jetzt, wo der Umschlag ist, und bin schon auf dem Weg, ihn abzuholen.«
    »Ihnen wurde meines Wissens klipp und klar gesagt, dass Sie sich hier nicht blicken lassen sollen. Jetzt weiß die Ärztin, wie Sie aussehen. Sie haben einen idiotischen Fehler gemacht, und das wird den anderen bestimmt nicht gefallen!«

22
    Auf der Fahrt nach Hause war Theo sehr schweigsam. Es war heiß, und er und Michelle wollten noch duschen, bevor sie zum Abendessen in den Schwan gingen. Theo hatte Michelle vorgeschlagen, sie in ein schickes Lokal auszuführen, aber sie hatte ihrem Vater versprochen, an der Bar auszuhelfen. Am Mittwochabend war im Schwan meistens viel los, und da der Angelwettbewerb unmittelbar bevorstand, platzte die Kneipe wahrscheinlich aus allen Nähten.
    »Kann nicht dein Bruder aushelfen?«, fragte Theo.
    »John Paul hat sich in der ganzen letzten Woche nicht blicken lassen.«
    »Verschwindet dein Bruder oft für längere Zeit?«
    »Wenn mein Vater ihn braucht, ist er jedenfalls immer da«, antwortete Michelle ausweichend.
    »Aber woher weiß er denn, wann dein Vater ihn braucht? Ruft er ihn an?«
    Michelle lächelte. »John Paul hat kein Telefon, und wenn er eins hätte, würde er nicht drangehen. Für gewöhnlich kommt er am Freitagmorgen vorbei, um zu fragen, was er für Daddy erledigen kann. John Paul arbeitet nie an den Wochentagen in der Bar.«
    »Und was ist, wenn dein Dad mal krank wird oder sonst etwas passiert?«
    »John Paul spürt, wenn etwas nicht stimmt.«
    »Übersinnliche Wahrnehmung?«
    »Er merkt es einfach.«
    »Dein Bruder scheint mir ein seltsamer Bursche zu sein.«
    »Er ist nicht seltsam«, verteidigte sie ihn. »Er ist nur anders.«
    »Und was ist mit deinem anderen Bruder?«
    »Remy? Was soll mit ihm sein?«
    »Ist er auch anders?«
    »Nach deinen Maßstäben nicht.«
    Beide schwiegen eine Weile lang.
    Michelle registrierte Theos düsteren Blick. »Woran denkst du?«, wollte sie wissen.
    »An den Jungen, der auf dem Spielfeld ständig gestolpert ist.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Er trug die Schuhe seines Bruders.«
    »Und du überlegst, was du für ihn tun könntest.«
    »Die Mannschaft braucht auf alle Fälle neues Equipment«, stellte er fest. »Conrad will mit dem Trainer in St. Claire sprechen und fragen, ob unser Team an ihren Fitnessgeräten trainieren darf. Keiner von den Jungs sollte das Spielfeld betreten, bevor er fit genug dafür ist. Du weißt sicher, was ich meine?«
    »Ja, sie müssen ihre Muskeln aufbauen und mehr Ausdauer bekommen.«
    »Genau. Sonst verletzen sie sich noch.«
    »Du hast von ›unserem Team‹ gesprochen.«
    »Habe ich nicht.«
    »Doch, ich habe es klar und deutlich gehört.«
    Er wechselte das Thema. »Was wollte eigentlich der Bote von dir? Ich habe gesehen, dass du dich mit ihm unterhalten hast.«
    »Es hat eine Verwechslung gegeben. Man hat mir eine falsche Sendung zugestellt, die noch im Krankenhaus liegt. Ich habe den Mann zu unserer Sekretärin geschickt. Sie wird sich darum kümmern.«
    Er nickte, dann kam er auf etwas anderes zu sprechen. »Wie viel Geld kann man bei dem Angelwettbewerb gewinnen, was meinst du?«
    »Ich weiß nicht, wie viele Teilnehmer es in diesem Jahr sein werden, aber wenn ich schätzen sollte, würde ich sagen – fünfzig Dollar pro Nase – und letztes Jahr haben sich über siebzig angemeldet …«
    »Nehmen wir mal an, dieses Jahr sind achtzig Angler dabei, dann wären das viertausend Dollar.«
    »Das ist ein Haufen Geld für die Leute hier in der Gegend.«
    »Mit viertausend Dollar könnte man eine Menge Schuhe kaufen.«
    »Das klingt, als hättest du einen Plan.«
    »Ja, na ja, man müsste das Turnier gewinnen. Dann hätte die Mannschaft genügend Geld zur Verfügung, um sich

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