Gnade
OP und habe die Kinder operiert.«
»Also haben Sie den Umschlag nie geöffnet?« Er lächelte und schien erleichtert aufzuatmen.
»Nein, ich habe ihn nicht geöffnet«, gestand sie. »Daran würde ich mich ja erinnern, insbesondere wenn es Papiere von einer Anwaltskanzlei waren.«
»Sie verstehen sicherlich, dass die Papiere auf keinen Fall in die falschen Hände fallen dürfen. Sie sollten ja an eine andere Kanzlei gehen. Es sind lauter vertrauliche Unterlagen. Ich könnte jetzt gleich ins Krankenhaus fahren und das Kuvert bei der Sekretärin abholen. Wie heißt sie?«
»Elena Miller, aber sie wird Ihnen nichts aushändigen, es sei denn, ich gebe ihr mein Okay.«
»Könnten Sie sie gleich anrufen? Ich habe mein Handy bei mir. Eddie hat den anderen Umschlag, der für Sie gedacht war, bereits abgeholt und ist schon auf dem Weg hierher. Ich hätte diese Angelegenheit wirklich gern heute noch geklärt.«
Der Mann kam näher, um ihr das Handy zu reichen. Michelle stieg der Duft seines Aftershaves in die Nase. Es war schwer, aber es überdeckte nicht den Geruch nach Schweiß.
Der Mann warf immer wieder einen Blick auf das Spielfeld, als rechnete er damit, dass einer der Jungs den Football nach ihm werfen würde. Michelle wählte die Nummer des Krankenhauses, und es dauerte eine Weile, bis Elena abnahm.
»Er hat sie geradezu hypnotisiert«, stellte sie fest, während sie darauf wartete, dass sich Elena meldete.
»Was?«
»Der Trainer. Die Spieler saugen jedes Wort von ihm auf. Mir ist aufgefallen, dass Sie die Jungs beobachten.«
»Oh, ja, ja.«
Endlich ging Elena Miller ans Telefon und sagte in ihrem unfreundlichen Ton: »Miller.«
»Hi, Elena. Hier ist Dr. Renard. Störe ich Sie gerade bei etwas Wichtigem?«
»Ich habe immer Wichtiges zu tun, Doktor! Und Sie haben vergessen, Ihre Berichte fertig zu machen. Es fehlen noch zwei«, rügte sie. »Außerdem liegt Ihre Post noch unberührt da. Und ihr Eingangskorb quillt über, Doktor. Wahrscheinlich ärgern Sie sich jetzt, dass Sie überhaupt angerufen haben, was?«
»Ich habe die Berichte fertig«, verteidigte sich Michelle. »Wenn sich Murphy beschwert, dann sagen Sie ihm, dass ich ihm das Fell über die Ohren ziehe.«
»Nur die Ruhe, Doktor! Murphy ist ebenfalls im Urlaub. Was kann ich denn für Sie tun?«, erkundigte sie sich etwas freundlicher.
Michelle erzählte von der Verwechslung. »Erinnern Sie sich, ob Sie eine Empfangsbestätigung für mich unterzeichnet haben? Die Lieferung ist so gegen fünf Uhr am Montag abgegeben worden.«
»Im Augenblick kann ich mich nicht einmal erinnern, was ich gestern zu Abend gegessen habe! Ich weiß noch, dass am Montag in der Notaufnahme die Hölle los war. Es waren mehrere Unfälle passiert, und dann noch dieser schlimme auf dem Highway. Während die Kinder behandelt wurden, drängten sich mindestens zwanzig Mütter und Väter auf dem Flur. Ich weiß wirklich nicht mehr, ob ich etwas für Sie unterschrieben habe, aber das ist nicht weiter tragisch. Wenn ich eine Lieferung für Sie entgegengenommen habe, dann habe ich einen gelben Zettel an Ihren Spind geklebt. Normalerweise lege ich die Sendung dem Betreffenden immer in den Spind, aber Sie haben mir ja Ihre Nummernkombination noch nicht gegeben.«
»Tut mir Leid«, sagte Michelle. »Das habe ich immer wieder vergessen. Haben Sie eine Ahnung, wo der Umschlag jetzt sein könnte?«
»Ich schaue nach. Entweder liegt er in meinem Schreibtisch oder auf Ihrem Spind. Was soll ich damit tun, wenn ich ihn gefunden habe?«
»Geben Sie ihn dem Mann von Speedy Messenger Service. Er kommt gleich bei Ihnen vorbei.«
»Ja, gut. Ich bin bis sechs im Haus, aber keine Minute länger. Heute ist Bridge-Abend, und ich muss um halb sieben zu Hause sein, um alles vorzubereiten. Diesmal bin ich nämlich die Gastgeberin.«
»Er kommt bestimmt vor sechs. Danke, Elena!«
Michelle beendete die Verbindung und gab Frank das Handy zurück.
Sie beobachtete, wie Theo das Spielfeld überquerte und auf sie zukam. Frank schien Theo im Auge zu behalten. Hastig fragte er: »Was hat sie gesagt? Hat sie das Kuvert?«
»Immer langsam! Eddie wird seinen Job behalten. Elena ist bis sechs im Krankenhaus, und sie gibt Ihnen den Umschlag.«
Er bedankte sich nicht einmal, sondern machte sich überstürzt davon. Während er die Metalltreppe hinuntereilte, zog er sich die Kappe tiefer ins Gesicht. Dann war er auch schon im Tunnel verschwunden.
Michelle rief ihm nach: »Gern geschehen!«
Aber der Mann
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