Gnadenfrist
lassen. Ich kann auf keinen Fall riskieren, daß ich euch verliere, nicht wahr?« »Wie können Sie uns verlieren, wenn wir gefesselt und allein hierbleiben?« »Die Möglichkeit ist eins zu einer Million - eins zu zehn Millionen, daß jemand versucht, hier hereinzukommen, während ich weg bin.«
»Wie lange wollen Sie uns hier festhalten?« »Bis Mittwoch, Sharon, frag nicht so viel. Ich sage dir, was du wissen mußt, und mehr nicht.«
»Es tut mir leid. Ich verstehe das alles nur nicht.« »Ich kann es mir nicht leisten, daß euch jemand findet. Aber ich kann auch nicht hierbleiben. Wenn die Tür an das hier angeschlossen ist und jemand versucht hereinzukommen…« Sie war nicht hier. Sie hörte nicht richtig. Das konnte nicht wahr sein. »Keine Angst, Sharon. Steve Peterson gibt mir morgen abend 82ooo Dollar, und dann ist alles überstanden.« »Zweiundachtzigtausend Dollar?« »Ja. Und am Mittwoch früh werden wir beide fortgehen, und ich werde eine Nachricht hinterlassen, wo der Junge zu finden ist.« Irgendwo aus der Ferne vernahm sie das schwache Echo eines Donners; dann folgte eine Weile Stille und wieder ein Donnern. Er kam auf sie zu. »Tut mir leid, Sharon.« Mit einer jähen Bewegung zerrte er Neil aus ihren Armen und warf ihn auf das Feldbett. Bevor sie sich rühren konnte, riß er ihr die Arme auf den Rücken. Er ließ den Mantel zur Seite gleiten, bevor er ihr die Hände fesselte. Er griff nach Neil. »Knebeln Sie ihn nicht, bitte?«, flehte sie. »Wenn er erstickt, könnten Sie das Geld nicht bekommen. Sie müssen vielleicht beweisen, daß er lebt. Bitte, ich… ich mag Sie. Weil Sie so klug sind.«
Nachdenklich sah er sie an. »Sie… Sie kennen meinen Namen, aber Sie haben mir noch nicht einmal Ihren Namen gesagt. Ich würde gern an Sie denken.«
Er nahm ihr Gesicht in die Hände und hob es zu sich empor. Seine Hände waren schwielig und rauh - kaum zu glauben, daß sie mit feinen Drähten so geschickt umgehen konnten. Er beugte sich über sie. Sein heißer Atem roch schal. Sie ertrug es, daß er sie grob auf die Lippen küßte, mit seinem feuchten Mund auf ihrer Wange, ihrem Ohr verweilte. »Ich heiße Foxy«, flüsterte er heiser. »Sag meinen Namen, Sharon.« »Foxy.«
Er band Neil die Hände zusammen und legte ihn neben Sharon. Auf dem schmalen Feldbett hatten sie zu zweit kaum Platz. Sharon lag auf der Seite, den Rücken dicht an die rauhe Wand gepreßt, so daß ihre Hände eingeklemmt wurden. Er deckte sie mit dem schmutzigen grauen Mantel zu. Dann richtete er sich auf und warf einen Blick zu dem mit Brettern verschlagenen Aufzug. »Nein.« Er wirkte unzufrieden, unsicher. »Ich kann es nicht riskieren, daß euch jemand hört.« Sie wurden wieder geknebelt, diesmal jedoch nicht ganz so stramm. Sharon wagte es nicht, noch einmal zu protestieren. Seine Nervosität nahm sichtlich zu.
Und dann wußte sie auch, warum. Langsam und ungeheuer vorsichtig befestigte er einen dünnen Draht an einem Gegenstand in seinem Koffer; dann rollte er den Draht auf und machte das andere Ende an der Tür fest. Sollte zufällig jemand hereinkommen, löste er automatisch den Zünder für die Bombe aus. Sie hörte das Schnappen des Lichtschalters; flackernd ging die staubverschleierte Lampe aus. Geräuschlos öffnete und schloß sich die Tür.
Einen Augenblick lang sah sie im fahlen Gegenlicht seine Silhouette, dann war er fort.
Der Raum war jetzt gräßlich dunkel; die dumpfe Stille wurde nur von Neils mühsamen Atemzügen unterbrochen und dem gelegentlich gedämpften Rattern eines Zuges, der in den Tunnel einfuhr.
18
Roger und Glenda Perry hatten beschlossen, die Elfuhrnachrichten im Bett zu sehen. Sie hatte bereits gebadet und fragte Roger, ob sie ihm einen heißen Punsch machen solle, während er duschte. »Klingt verlockend, aber fang nicht noch einmal an, in der Küche herumzuwerkeln.«
Er vergewisserte sich, daß die Küchentür richtig verschlossen war, und ging nach oben. Die Dusche war prickelnd heiß und unendlich wohltuend. Rasch schlüpfte er in den blaugestreiften Pyjama, schlug die schwere Überdecke von dem großen Bett zurück und schaltete die Leselämpchen ein, die die beiden Kopfkissen bestrahlten.
Bevor er ins Bett stieg, trat er noch einmal ans Fenster, das auf die Straße hinausging. Auch bei solchem Wetter hatten er und Glenda gern frische Nachtluft im Zimmer. Automatisch sah er zu Petersons Haus hinüber. Es war jetzt hell erleuchtet, außen und innen. Durch den körnigen Schnee
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