Gnadenfrist
eigener Schatten, weint viel und hat Alpträume.«
»Ganz schön hart«, stimmte Hank zu.
»Bill und Dora wollen ja nach Florida gehen. Jetzt warten sie, daß der Vater des Jungen wieder heiratet. Er geht mit so einer Journalistin. Soll gut aussehen, sagt Bill. Sie war hier gestern abend, bei den Petersons.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Der Junge scheint sie nicht besonders zu mögen. Hat wahrscheinlich Angst vor einer neuen Mutter. Kinder sind oft so.«
»Wahrscheinlich.«
»Der Vater ist Chefredakteur bei Events, Sie wissen schon, diese neue Zeitschrift, die vor ein paar Jahren neu auf den Markt kam. Er hat einen Haufen Geld hineingesteckt. Zweite Hypothek und so. Aber jetzt läuft es scheinbar ganz gut. Tja, ich werd’ wohl zumachen können. Heute kommt doch niemand mehr. Wollen Sie noch ein Bier?«
Hank überlegte. Er brauchte Informationen, und die Zeit verging. Er setzte sein Glas ab, griff nach seiner Brieftasche und zog seine Erkennungsmarke hervor. »FBI«, sagte er.
Eine Stunde später war er im Haus der Petersons. Er besprach sich mit Hugh und rief dann im FBI-Hauptquartier in Manhattan an. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß die Tür des Studios richtig zu war, sprach er leise ins Telefon. »Hughie hatte recht. Bill Luft ist ein Schwätzer. Jeder in der Alten Mühle wußte seit zwei Wochen, daß er und Mrs. Luft gestern abend ausgehen würden, daß Peterson abends noch eine geschäftliche Besprechung hatte und daß Sharon Martin in Carley erwartet wurde. Der Barmann gab mir eine Liste mit den Namen von zehn Stammgästen, die sich stets mit Bill unterhalten. Einige waren auch heute abend da.
Sie schienen alle in Ordnung. Du könntest aber noch einen Charley Pinter überprüfen; er und seine Frau spielen in einer Laiengruppe. Vielleicht könnte einer von ihnen eine Stimme nachahmen. Dann ist da ein Arty Taggert, der morgen nach Rhode Island fahren will. Scheint harmlos zu sein. Zwei Verkäufer, Les Watkins und Joe Reynolds - lohnt sich nicht, mit ihnen Zeit zu verschwenden. Und hier sind die übrigen Namen… Und noch etwas. Bill Luft erzählte vor knapp einem Monat jedem in der Kneipe von Neils Vermögen. Er hatte Petersons Gespräch mit dem Steuerberater mit angehört. Jeder in der Alten Mühle und wer weiß, wo sonst noch, wußte darüber Bescheid. Okay. Ich komme jetzt gleich mit der Kassette zu euch.
Habt ihr John Owens erreicht?«
Er legte auf und ging nachdenklich am Wohnzimmer vorbei. Hugh Taylor und Steve unterhielten sich leise. Steve zog gerade seinen Mantel an. Es war kurz vor Mitternacht, Zeit für Steve, zum Rendezvous mit Foxy aufzubrechen.
31
Lally war über die Eindringlinge so empört, daß sie augenblicklich mit der Geschichte herausplatzte, als sie Rosie im großen Wartesaal traf - und es gleich danach wieder bereute.
»Es ist eben ein besonderer Platz für mich«, schloß sie lahm. Was würde sie nur sagen, wenn Rosie das Zimmer mit ihr teilen wollte? Sie könnte sich nicht einverstanden erklären, beim besten Willen nicht.
Aber sie hätte sich ihre Sorgen sparen können. »Du meinst, du schläfst in Sing-Sing?«
fragte Rosie ungläubig. »Keine zehn Pferde brächten mich dorthin. Du weißt, wie ich Katzen hasse.«
Natürlich. Daran hatte Lally nicht gedacht. Rosie fürchtete sich so vor Katzen, daß sie auf die andere Straßenseite gehen würde, nur um einer auszuweichen.
»Na, und du kennst mich«, sagte Lally. »Ich liebe sie. Die armen Tiere müssen so Hunger leiden. Jetzt schleichen sich noch mehr durch den Tunnel herein als früher«, übertrieb sie.
Rosie schüttelte sich.
»Ich nehme an, daß zwei ganz dort bleiben werden«, schloß Lally. »Und das Mädchen werde ich wegjagen, sobald der Kerl fort ist.«
Rosie wirkte nachdenklich. »Angenommen, du machst einen Fehler«, meinte sie.
»Angenommen, er ist dort. Du sagst, er sieht übel aus?«
»Mehr als das. Vielleicht könntest du mir ja helfen, ein Auge auf ihn zu halten.«
Rosie fand solche Heimlichkeiten herrlich. Sie lächelte breit und entblößte ihre gelben Zahnruinen. »Aber gewiß doch.«
Sie tranken ihren Kaffee aus, ließen die Krapfenreste in ihren Tüten verschwinden und begaben sich in die untere Ebene.
»Es dauert vielleicht ziemlich lange«, grämte sich Lally. »Das macht nichts. Wenn nur Olendorf heute nicht Dienst hat«, sagte Rosie. Er war einer der Aufseher, die es besonders genau nahmen. Er hielt nichts davon, daß sich die Stammkunden im Bahnhof herumtrieben.
Er jagte sie stets
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