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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Katzen wissen.«
    Als Lally nach überstandener Gefahr wieder im Wartesaal saß, klopfte ihr Herz noch immer wie wild. Sie würde bestimmt erst in ihr Zimmer gehen, wenn Olendorf Dienstschluß hatte.
    Dem Himmel dankend, daß sich die Katzen gerade zur rechten Zeit in die Wolle bekamen, hinkte sie zu einer Abfalltonne und fischte sich eine Nummer der Zeitschrift People heraus sowie den zerknitterten ersten Teil der Village Voice.
32
    Neil wußte, daß Sharon verletzt war. Sie hatte ihn nicht angelogen, als sie sagte, sie sei gefallen. Der Mann hatte sie wahrscheinlich umgestoßen. Neil wollte mit Sharon sprechen, aber es war unmöglich, weil der Lappen in seinem Mund so fest saß - viel fester als vorhin. Er wollte ihr sagen, wie mutig sie war, weil sie versucht hatte, sich gegen den Mann zu wehren.
    Er hatte Angst vor dem Mann gehabt, als er Mami überfiel. Aber selbst Sharon, die fast genauso groß war wie der Mann, war nicht stark genug.
    Sharon hatte ihm gesagt, sie würde versuchen, dem Mann die Pistole wegzunehmen. »Hab’
    keine Angst, wenn ich sage, ich würde mit ihm weggehen. Ich werde dich nicht verlassen«, hatte sie gesagt. »Aber wenn ich seine Pistole in die Hand bekomme, können wir ihn vielleicht zwingen, daß er uns hier herausbringt. Wir haben beide einen Fehler gemacht, und wir sind die einzigen, die Ronald Thompson retten können.«
    Ihre Stimme klang merkwürdig tief, als sie zu sprechen versuchte, und bei ihm war es genauso; aber er hatte ihr trotzdem davon erzählt: daß Sandy immer sagte, er hätte seiner Mutter helfen sollen; daß ihn die Lufts wahrscheinlich nach Florida mitnehmen würden und daß ihn die Kinder gefragt hatten, ob er sich wünschte, daß Ronald Thompson braten würde.
    Obwohl es nicht einfach war, mit dem Knebel im Mund zu sprechen, atmete er hinterher leichter. Er wußte, was Sharon meinte. Sie würden Ronald Thompson töten, weil sie glaubten, er habe Mami weh getan; aber er war es nicht gewesen. Aber Neil hatte gesagt, er sei es gewesen. Neil hatte nicht absichtlich die Unwahrheit gesagt. Das war es, was er seinem Vater über die Kassette mitteilen wollte.
    Nun mußte er achtgeben, daß er langsam durch die Nase atmete, daß er sich nicht ängstigte oder weinte, denn dann würde er wieder nicht richtig atmen können.
    Es war kalt. Arme und Beine taten ihm weh. Der Schmerz in seinem Inneren hatte jedoch aufgehört. Sharon fand bestimmt einen Weg für sie, hier herauszukommen. Oder Dad würde kommen und sie holen. Neil glaubte ganz fest daran.
    Er spürte Sharons Atem an seiner Wange. Sein Kopf lag unter ihrem Kinn. Manchmal machte sie ein komisches Geräusch, als hätte sie Schmerzen. Aber so nah bei ihr zu liegen, tat ihm wohl. Es war wie früher, als er noch klein war und manchmal nachts von einem bösen Traum erwachte. Dann war er immer zu Mami und Dad ins Bett gekrochen. Mami zog ihn dicht zu sich heran und murmelte schläfrig: »Lieg still!«, und dann schlief er fest an sie gedrückt wieder ein.
    Sharon und Dad würden für ihn sorgen. Neil rückte noch ein wenig näher an Sharon heran.
    Er wünschte, er könnte ihr sagen, sie solle sich keine Sorgen um ihn machen. Er würde langsam und tief durch die Nase atmen. Die Arme taten ihm weh, aber er wollte nicht daran denken. Er dachte einfach an etwas Schönes - an die Lionelzüge, die Sharon ihm geben würde.
33
    »Um Gottes willen, Liebling, es ist fast Mitternacht. Hör auf!« Hilflos sah Roger, wie Glenda den Kopf schüttelte. Er stellte mit Entsetzen fest, daß das Gefäß mit den Nitrolingualtabletten auf ihrem Nachttisch fast leer war. Am Morgen war es noch voll gewesen.
    »Nein, ich werde es herausbekommen. Ich weiß es bestimmt. Roger, hier… Laß es uns einmal so versuchen. Ich erzähle dir alles, was ich im vergangenen Monat getan habe. Ich habe zwar einen Tag um den anderen zurückverfolgt, aber ich muß etwas ausgelassen haben.
    Vielleicht, wenn ich es dir erzähle…«
    Er wußte, daß er vergeblich protestieren würde. Er zog sich einen Stuhl ans Bett und versuchte, sich zu konzentrieren. Ihm brummte der Schädel. Als der Arzt Glendas Zustand gesehen hatte, hatte er wütend gefragt, warum sie so erregt sei, und natürlich konnten sie ihm den Grund nicht erklären.
    Daraufhin wollte ihr der Arzt eine starke Spritze geben, aber Glenda hätte es ihm nie verziehen, wenn er seine Einwilligung dazu gegeben hätte. Als er sie jetzt aschfahl und mit den verräterisch blauen Lippen in ihrem Bett sitzen sah,

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