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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Telefon und sie war dran. »Mein Mann hat mich eben ausgeschimpft, weil ich mit dem Reservereifen fahre«, sagte sie. Ihre Stimme klang warm, vertraulich und amüsiert, als hätten sie beide einen kleinen Privatspaß. »Wann kann ich den Reifen abholen?«
    Er überlegte rasch. Driftwood Lane lag in einer ruhigen Gegend. Die Häuser standen nicht eng beieinander. Wenn sie zu ihm käme, bestünde keine Möglichkeit, sich näherzukommen.
    Das wäre zu gefährlich.
    »Ich muß jetzt zu einem Kunden«, log er. »Ich bringe Ihnen den Reifen am Spätnachmittag vorbei, vielleicht so gegen fünf.« Um fünf Uhr wurde es dunkel.
    »Sehr gut«, sagte sie. »Wenn nur das verflixte Ding wieder am Wagen ist, bis ich meinen Mann um halb sieben Uhr abhole…«
    Für den Rest des Tages war er so aufgeregt, daß er kaum denken konnte. Er ging in die Stadt, ließ sich die Haareschneiden und kaufte sich ein kariertes Sporthemd. Wieder zu Hause, ließ er sämtliche Arbeit liegen. Er duschte nur und zog sich an, und während er wartete, daß die Zeit verging, hörte er sich einige seiner Kassetten an. Dann legte er eine neue Kassette in den Recorder und beschriftete sie mit >Nina<. Er überzeugte sich, daß in seiner Kamera ein neuer Film eingelegt war und freute sich schon im voraus auf das Entwickeln der Fotos, wenn die Bilder allmählich Gestalt annahmen…
    Um zehn nach fünf brach er zur Driftwood Lane auf. Er suchte die umliegende Gegend ab und beschloß, in dem Wäldchen neben ihrem Haus zu parken. Nur für den Fall…
    Er stapfte durch den Wald in der Nähe des Ufers. Noch heute erinnerte er sich an das angenehme Geräusch, als die Wellen plätschernd auf den Strand schlugen, ein Geräusch, das ihn selbst an diesem kalten Abend erregte und wärmte.
    Ihr Wagen stand in der Einfahrt hinter dem Haus. Die Schlüssel steckten in der Zündung.
    Durch das Küchenfenster konnte er Nina umhergehen sehen. Sie packte Lebensmittel aus. Die Deckenlampe war aus der Halterung gerutscht, so daß es sehr hell in der Küche war. Nina war wunderschön in dem hellblauen Pulli über der langen Hose und mit dem Schal, den sie zu einem Knoten geschlungen hatte. Geschwind wechselte er den Reifen aus und versuchte dabei festzustellen, ob sich noch andere Leute im Haus befanden. Er wußte, er würde mit ihr schlafen, war überzeugt, daß sie ihn insgeheim erwartete. Hatte sie nicht angedeutet, daß ihr Mann böse auf sie war? Sie brauchte einen mitfühlenden Mann. Er schaltete den Recorder ein und erklärte flüsternd, wie er Nina glücklich machen wollte, wie er ihr sagen würde, was er für sie empfand.
    Er trat an die Küchentür und klopfte leise. Sie lief herbei, sah ihn verblüfft an; doch als er ihre Schlüssel hochhielt und ihr durch die Türscheibe zulächelte, lächelte sie sofort zurück.
    Sie öffnete, bat ihn liebenswürdig herein und sagte mit ihrer warmen Stimme, die ihn gleichsam zu umarmen schien, wie reizend er sei.
    Dann fragte sie ihn, was sie ihm schulde. Er hob die Hand - natürlich trug er Handschuhe -
    und schaltete das Küchenlicht aus. Er legte die Hände um ihr Gesicht und küßte sie. »Bezahl mich damit«, flüsterte er.
    Sie schlug ihn. Es war ein erstaunlich harter Schlag für eine so kleine Hand. »Raus hier!«
    sagte sie. Sie spuckte die Worte aus, als sei er Dreck, als hätte er sich nicht eigens für sie sauber angezogen, als hätte er ihr nicht auch einen Gefallen getan.
    Das brachte ihn zur Raserei, genau wie bei den anderen. Wenn er zurückgestoßen wurde, passierte ihm das jedesmal. Sie hätte ihn besser nicht so an der Nase herumgeführt. Er streckte die Hände nach ihr aus, wollte ihr weh tun, ihr die ganze Garstigkeit herausquetschen. Er griff nach dem Schal. Doch irgendwie gelang es ihr zu entkommen. Sie rannte ins Wohnzimmer.
    Merkwürdig war, daß sie keinen Laut von sich gab. Sie schrie kein einziges Mal um Hilfe.
    Erst hinterher verstand er, warum. Er sollte nicht wissen, daß das Kind im Haus war. Aber sie versuchte, sich mit dem Schürhaken zu wehren.

    Er lachte nur. Ganz leise sagte er ihr, was er tun würde. Mit der einen Hand hielt er ihre beiden Hände fest und stellte mit der anderen den Schürhaken an seinen Platz zurück. Dann packte er ihren Schal und wickelte ihn um ihren Hals, zog ihn fester und fester, während sie gurgelte und würgte. Wie bei einer Puppe hoben und senkten sich ihre Hände, dann fielen sie kraftlos herab. Ihre großen braunen Augen weiteten sich, wurden glasig und anklagend; ihr

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