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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Steve.

    Marian goß kochendes Wasser in die Teekanne. Die Tür zwischen Küche und Eßzimmer stand offen, und sie konnte die Unterhaltung mithören. Der arme Mr. Peterson! Kein Wunder, daß er so unhöflich wirkte, als sie mit ihm sprach. Er war krank vor Sorge um den entführten Jungen, und sie hatte ihn noch aus der Fassung gebracht, als sie von Neil sprach. Da sieht man’s wieder. Man sollte nie vorschnell urteilen. Wer weiß schon, welchen Kummer der andere mit sich herumschleppte.
    Eine Tasse Tee würde ihm bestimmt guttun.
    Sie brachte die Teekanne ins Eßzimmer. Steve hatte sein Gesicht in den Händen vergraben.
    »Mr. Peterson«, sagte sie leise. »Lassen Sie mich Ihnen eine schöne Tasse heißen Tee einschenken.«
    Sie nahm die Tasse mit der einen Hand, mit der anderen goß sie den Tee ein.
    Langsam nahm Steve die Hand vom Gesicht. Im nächsten Augenblick flog die Teekanne über den Tisch. Der Tee schwappte in die Zuckerdose und färbte die geblümten Tischsets zimtbraun.
    Glenda, Roger und Hugh sprangen auf. Entsetzt starrten sie auf Steve, der den Arm der zu Tode erschrockenen Marian festhielt. »Woher haben Sie den Ring?« schrie er. »Wer hat Ihnen diesen Ring gegeben?«
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    Im Somers-Staatsgefängnis nahm Kate Thompson Abschied von ihrem Sohn. Mit leerem Blick starrte sie auf den ausrasierten Fleck auf seinem Kopf, der sich wie die Tonsur eines Mönchs ausnahm, und auf die Schlitze an den Seitennähten seiner Hose. Sie weinte keine einzige Träne, als sich seine jungen Arme um sie legten. Sie zog sein Gesicht zu sich herab.
    »Sei tapfer, Junge.«
    »Bestimmt. Bob sagte, er würde sich um dich kümmern, Mutter.« Dann ging sie. Bob wollte bis zum Ende bleiben. Sie wußte, es war einfacher, wenn sie jetzt ging… einfacher für ihn.
    Sie verließ das Gefängnis und ging zu Fuß in die Stadt. Ein Streifenwagen hielt neben ihr an. »Darf ich Sie irgendwo absetzen, Mrs. Thompson?«
    »Ich danke Ihnen«, sagte sie ernst und stieg ein.
    »Sie wohnen im Motel, nicht wahr, Mrs. Thompson?« »Nein, bitte, bringen Sie mich zur St.-Bernard-Kirche.« Die Frühmesse war zu Ende, die Kirche menschenleer. Sie kniete vor der Marienfigur nieder. »Bleib bei ihm bis zum Ende. Nimm die Bitterkeit aus meinem Herzen. Du hast deinen unschuldigen Sohn geopfert, hilf mir, wenn ich jetzt meinen Sohn opfern muß…«
45
    Marian zitterte am ganzen Leibe. Sie rang nach Worten, aber sie konnte nicht sprechen. Ihr Mund war trocken, und ihr Hals war wie zugeschnürt, ihre Zunge schwer wie Blei. Sie hatte sich mit dem heißen Tee die Hand verbrüht, und Steve hatte ihr den Ring schmerzhaft vom Finger gerissen. Alle starrten sie an, als würden sie sie hassen. Mr. Peterson zerrte an ihrem Handgelenk.
    »Woher haben Sie den Ring?« schrie er sie an.
    »Ich… ich… habe ihn gefunden«, stieß sie mit zitternder Stimme hervor.
    »Sie haben ihn gefunden?« Hugh schob Steve beiseite. Seine Stimme troff vor Hohn.
    »Gefunden!«
    »Ja.« »Wo?« »In meinem Wagen.«

    Hugh schnaubte verächtlich und sah Steve an. »Wissen Sie genau, daß dies der Ring ist, den Sie Sharon Martin schenkten?«
    »Hundertprozentig. Ich habe ihn in einem Dorf in Mexiko gekauft. Er ist ein Einzelstück.
    Sehen Sie selbst!« Er warf Hugh den Ring zu. »An der linken Seite des Goldreifs ist eine Kerbe.«
    Hugh ließ den Finger über den Ring gleiten. Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Wo ist Ihr Mantel, Mrs. Vogler? Sie kommen mit aufs Revier zum Verhör.« Rasch machte er sie auf ihre Rechte aufmerksam. »Sie sind nicht verpflichtet, Fragen zu beantworten. Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht, einen Anwalt heranzuziehen.
    Gehen wir.«
    »Was erzählen Sie ihr da, sie bräuchte keine Fragen zu beantworten!« rief ihm Steve nach.
    »Sind Sie wahnsinnig? Sie muß antworten!«
    Glendas Gesicht wirkte wie versteinert. Voll Zorn und Verachtung schaute sie Marian an.
    »Sie sprachen heute morgen von Arty«, sagte sie vorwurfsvoll. »Sie erzählten, er hätte Ihren Wagen repariert. Wie konnten Sie nur? Wie konnten Sie sich, eine Frau, die selbst Kinder hat, zu so etwas hergeben?«
    Hugh wirbelte herum. »Sie sprach von Arty?« »Ja.«
    »Wo ist er?« fragte Steve. »Wo hat er sie hingebracht? Mein Gott, gleich als ich Sie das erste Mal sah, redeten Sie von Neil.«
    »Steve, Steve, beruhige dich.« Roger nahm seinen Arm. Marian spürte, daß sie gleich ohnmächtig würde. Sie hatten den Ring behalten, und er gehörte ihr

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