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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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die Anlage längst nicht so groß wie der Kennedy-Flughafen.
    Aber so groß wie der Grand Central oder der Busbahnhof war LaGuardia auch. Alle hatten es eilig. Keiner kümmerte sich um den anderen. Jeder hatte nur sein eigenes Ziel im Kopf. Sie nahmen keine Notiz von irgend jemand. Sie lächelten nicht zurück.
    Langsam nahm ein Gedanken in ihm Gestalt an. Angenommen, er warnte die Polizei.
    Angenommen, er sagte ihnen, Sharon und Neil und die Bombe befänden sich in einem Verkehrszentrum in New York City. Dann müßte sie beide Flughäfen räumen lassen, ebenso die zwei Busbahnhöfe sowie die Bahnhöfe Penn Station und Grand Central. Sie würden mit ihrer Suche unter den Sitzen in den Wartesälen und in den Schließfächern beginnen. Sie würden nicht wissen, wo sie anfangen sollten. Und alle diese Leute, dieses ganze miese Pack, müßten die Gebäude und Anlagen räumen und Züge, Flugzeuge und Busse sausen lassen.
    Sie würden Sharon und Neil nie finden. Nie. Die einzige, die etwas von diesem Raum wußte, war die alte Schrulle gewesen, und für die hatte er gesorgt. Mit einem einzigen Anruf konnte er ganz allein veranlassen, daß die Leute in die größte Stadt der Welt nicht hineingelangten, aber auch nicht aus ihr heraus konnten. Und Peterson hielt sich mit seiner Zeitung und seinem Geld und seiner Freundin für einen tollen Hecht. Foxy lachte laut auf.
    Das Paar am Nebentisch sah ihn neugierig an.
    Er würde anrufen, und zwar kurz vor Abflug seiner Maschine. Und wen sollte er anrufen?
    Noch einmal das Beerdigungsinstitut? Nein. Wer sonst würde den Anruf nicht nur als schlechten Witz auffassen?
    Er wußte es. Er lächelte, als er sich die Reaktion vorstellte, die er hervorrufen würde, und ging sich eine zweite Tasse Kaffee holen. Um zwölf Minuten nach zehn Uhr verließ er die Cafeteria. Den Koffer hielt er fest in der Hand. Er hatte sich absichtlich so viel Zeit gelassen, damit beim Durchleuchten des Bordgepäcks bereits Eile geboten war. Niemand würde jetzt allzu große Neugier für seinen Koffer aufbringen. Fluggesellschaften legten Wert auf Pünktlichkeit.
    Um 10.15 Uhr zwängte er sich in eine Telefonzelle in der Nähe vom Abflugtor 9, zog etliche Münzen hervor und wählte eine Nummer. Als am anderen Ende abgenommen wurde, gab er flüsternd seine Nachricht durch. Dann legte er langsam auf, ging zum Abfertigungsschalter und kam glatt durch die Sicherheitskontrolle.
    Als er den Warteraum durchquerte und auf den überdachten Flugsteig zuging, leuchtete das Zeichen auf, das die Passagiere aufforderte, an Bord zu gehen.
    Es war 10.16 Uhr.

42
    Ihre Kleider fühlten sich feuchtwarm und klebrig an. Sie blutete. Sie würde sterben. Lally erkannte, daß dies ihr Ende war. Sie spürte es durch ihr trübes, dahinschwindendes Bewußtsein. Jemand hatte sie getötet… Der Mann, der ihr ihr Zimmer genommen hatte, war auch ihr Mörder.
    Konnte sie doch in ihrem Zimmer sterben! Er würde nicht mehr zurückkommen. Jetzt hätte er bestimmt Angst. Vielleicht würde man sie nicht finden. Dann wäre sie in dem einzigen Zuhause, das sie je besaß, begraben. Sie würde hier für immer schlafen bei dem Trost spendenden, Dröhnen ihrer Züge. Ihre Gedanken wurden klarer, aber sie wußte, es würde nicht mehr lange dauern. Sie mußte irgendwie in ihr Zimmer gelangen.
    Als sie merkte, daß sie den Schlüssel in der rechten Hand hielt, versuchte sie, sich hochzuziehen. Aber da saß etwas fest… das Messer… das Messer steckte noch in ihrem Rücken. Sie reichte nicht mit der Hand heran. Dann würde sie eben kriechen…
    Um sich in Richtung ihres Zimmers zu bewegen, mußte sie sich umdrehen. Die Anstrengung, ihren Körper in eine andere Lage zu bringen, war fast zu groß. Zentimeter um Zentimeter hievte sie sich auf die andere Seite. Bis zur Treppe waren es mindestens sieben Meter. Und dann die Treppe hinauf. Würde sie es schaffen? Lally schüttelte den Kopf, um das Dunkel zu verscheuchen. Sie fühlte, daß ihr das Blut aus dem Mund lief. Sie versuchte, es auszuhusten.
    Rechte Hand… halt den Schlüssel fest… linke Hand vorwärts… rechtes Knie vorschieben…
    linkes Knie… rechte Hand… Sie würde es schaffen. Irgendwie würde sie auch die Treppe hinaufkommen.
    Sie klammerte sich an die Vorstellung, wie sie die Tür öffnen und schließen würde, wie sie hineinkriechen, sich auf das Bett legen, die Augen schließen und warten würde.
    In ihrem Zimmer käme der Tod als Freund, als ein Freund mit kühlen und sanften

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