Gnadenfrist
bin ich froh, daß wir Gelegenheit hatten, uns auszusprechen … Philosophische Einsichten kommen Männern traditionellerweise während des Trinkens bei einem Symposium.« Zur Entspannung der Atmosphäre hob ich meinen Becher.
Aelianus blickte mich noch immer finster an. »Was machen Sie genau, Falco?« Manchmal fragte ich mich das auch.
»Nett, daß Sie diesmal fragen, bevor Sie mich verdammen! Ich tue, was getan werden muß – und wozu sonst niemand fähig oder bereit ist.«
»Bringen Sie Leute um?« Er besaß keinerlei Feingefühl.
»Im allgemeinen nicht. Es ist zu mühsam, hinterher meinen Frieden mit den Göttern zu machen.«
Ich vermied es, den Senator anzusehen. Er saß sehr still da. Der letzte Mann, den ich wissentlich getötet hatte, war ein Verbrecher gewesen, der Helena auf der Türschwelle ihres Elternhauses angriff. Camillus hatte mich dabei gesehen. Aber es gab andere Tote, die in direktem Zusammenhang damit standen und über die der Senator und ich niemals sprachen.
»Ein berückender Gedanke«, höhnte Aelianus. »Ein hartnäckiger, einsamer Wolf, der ohne Lob und Bezahlung das Schlechte in der Welt bekämpft!«
»Pure Blödheit«, stimmte ich ihm kurzangebunden zu.
»Warum tun Sie es dann?«
»Oh, um Verdienste zu erwerben.«
»Aus Charakterstärke?« Die der Familie eigene Ironie war auch an Aelianus nicht ganz spurlos vorbeigegangen.
»Sie haben mich erwischt. Ich habe eine Schwäche für moralische Handlungen.«
»Und so kommt man auch leicht an Frauen ran?«
»An die allerbesten … Beißen Sie lieber die Zähne zusammen. Ich weiß, daß ich eine gute gefunden habe, und ich werde sie nicht wieder loslassen. Meine Beziehung zu Ihrer Schwester ist eine dauerhafte. Und Sie werden im nächsten Frühjahr Onkel des Sohnes oder der Tochter eines Spitzels werden!«
Aelianus spuckte immer noch Gift und Galle, als Julia Justa und Helena zu uns zurückgesegelt kamen.
XLIV
Der Gang ins Eßzimmer bot mir die Gelegenheit, die Stimmung durch angemessenes Lobpreisen der neuen Wandmalerei zu heben (düsteres Zeug, schwarze Posamente und Ansichten in dunklem Rot und Gold). Sie schienen von jemand überredet worden zu sein, dessen Traum es war, orientalische Grabstätten auszumalen.
Die Frau des Senators erklärte kühl, wir würden jetzt essen, ohne Justinus. Das Gespräch mit Helena über unser Baby hatte sie offenbar nicht aufgewühlt; sie schien darauf vorbereitet gewesen zu sein. So sehr, daß sie sich unseres Findelkindes angenommen hatte, als wolle sie schon mal üben, mit einem Kind zu spielen, auf das sie lieber verzichtet hätte. Ihre einzige Sorge war nun, die Feier ohne Peinlichkeiten zu überstehen. Die noble Julia litt wie eine Frau, die ihr Bestes gibt, obwohl alle um sie herum entschlossen scheinen, ihr den sorgfältig geplanten Tag durcheinanderzubringen.
Sie hatte ein feines Gefühl für Anstand und Schicklichkeit. Wohlerzogen trat ich vor und führte sie sanft zu ihrer Speiseliege. Daraufhin bestand Julia Justa höflich darauf, daß ich daneben Platz nahm. Ich gab mir den Anschein eines Gastes, der ein sehr enger Freund der Familie ist. Das tat ich vor allem, um Aelianus zu ärgern. Er sollte denken, er sei – in seinem eigenen Heim und vor allen Sklaven und Freigelassenen der Familie – durch den unpassenden Liebhaber seiner Schwester ersetzt worden, der sich offen die Rolle des respektierten Schwiegersohns anmaßte. Es gelang mir, diese falsche Ehrwürdigkeit aufrechtzuerhalten, bis ich Helenas Blick auffing. Als sie mir zuzwinkerte, war es vorbei damit.
Speis und Trank helfen immer. Außerdem war es Helenas Geburtstag, und wir alle liebten sie. (Selbst ihrem stoffeligen Bruder mußte an ihr so viel gelegen sein wie an seinem skandalfreien Ruf.)
Das Essen war vermutlich besser als alles, was normalerweise in diesem an Bargeld so knappen Haushalt auf den Tisch kam. Besonders apart fand ich die Hummerklößchen des ersten Ganges, die zusammen mit kolymbiadischen Oliven und unterschiedlich gewürzten Schweinefleischstückchen serviert wurden. Helena und ich konnten einige Reiseerlebnisse mit fremdländischen Speisen zum besten geben und damit den im wahrsten Sinne theatralischen Aspekt unserer Syrienreise umgehen. Der Mittelpunkt des Hauptganges war ein ganzes Jungwildschwein in Nußsauce, ein Gericht, das, wie ich offen zugab, nicht allzu häufig auf meinem häuslichen Speisezettel stand.
»Bei uns auch nicht«, gestand der Senator und goß mir von einem Wein nach,
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