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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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den ich »samtig« nannte.
    »Wollten Sie nicht eigentlich ›weich‹ sagen?« Aelianus versuchte immer noch, bissige Bemerkungen zu machen, obwohl er sich inzwischen die Tunika mit Indigoerbsen bekleckert hatte. Ich hatte ihn bereits darauf hingewiesen und ihm den Tip gegeben, daß sich weltgewandte Esser vor in Oktopustinte angerichteten Leckerbissen in acht nehmen.
    »Nein, ich meine warm und äußerst kultiviert, mit einem zynisch gefährlichen Unterton, der einige von uns heute abend noch die Treppe hinunterfallen lassen könnte.«
    »Sind Sie ein Weinkenner, Falco?«
    »Nein, aber ich trinke mit einem. Ich kenne die Sprüche«, sagte ich, um ihn vor Angebereien zu warnen. »Mein Freund Petronius Longus kann überzeugend unterscheiden zwischen einem Falerner höherer, mittlerer und tieferer Lagen. Ich kann das nicht, obwohl ich mich gern von ihm zu Weinproben einladen lasse, mit denen er meinen Geschmack zu schulen versucht … Er träumt davon, ein paar Flaschen Vinum Oppianum aufzutreiben.«
    Aelianus war angesäuselt genug, um sein Unwissen einzugestehen. »Was ist das?«
    »Ein legendärer Jahrgang, natürlich benannt nach dem Konsul Oppianus, dem Mann, der Gaius Gracchus ermordet hat.«
    »Meine Güte, dann muß er ja beinahe zweihundert Jahre alt sein!« rief der Senator. »Wenn Ihr Freund den findet, würde ich ihn gern mal probieren!«
    »Das könnte gut sein. Laut Petronius war es ein so gutes Jahr, daß große Vorräte gehortet wurden und gelegentlich auftauchen.«
    »Ist er denn noch trinkbar?« fragte Helena.
    »Wahrscheinlich nicht. Ein Weinfan wie Petro würde das Zeug trotzdem schlucken und schon vom Anblick des Siegels besoffen werden.«
    »Weinfans schlucken nicht«, korrigierte sie mich lachend. »Sie atmen ihn ein, lassen ihn über die Zunge rollen, schließen die Augen und wetteifern dann mit blumigen Beschreibungen …«
    Der Senator lachte, genoß unser Wortgefecht. »Versuch mal diesen, Marcus. Es ist ein Guaraner, der in nur sehr geringen Mengen auf der Anhöhe der Baia wächst, wo die Luft salzig sein muß, die Erde schweflig und die Trauben unter den ermutigenden Schreien der Mädchen wachsen, die bei den Heilquellen von den Gigolos verführt werden.«
    »Also wirklich, Decimus!« protestierte Julia Justa, hielt aber ihren Becher zum Nachfüllen hin. Graziös nahm sie den Wein von ihrem Mann entgegen und wandte ihre Aufmerksamkeit dann wieder dem Müllbaby zu, dessen ruhiges Verhalten in der Öffentlichkeit sie für den Kleinen eingenommen hatte. Sie schüttelte seine Rassel, ein Tonschwein mit Steinchen drin, das Helena an einem Marktstand gekauft hatte.
    »Wie kannst du nur, Mama!« Aelianus schüttelte sich. »Das Kind könnte von überall herstammen.«
    Vor Wut mußte ich die Nase in den Weinbecher stecken. Zum Glück war der Guaraner würzig und vollmundig, ein tröstlicher Wein.
    »Seine Kleider waren von bester Qualität. Wir glauben, daß der Kleine aus guter Familie stammt«, gab Helena kalt zurück. »Nicht, daß das wichtig wäre; der Junge wurde ausgesetzt, und man muß etwas für ihn tun.« Ihre Mutter, die Helena lange genug kannte, überhörte geschickt die Andeutung, daß dieses Etwas von den Camilli getan werden sollte.
    »Wenn er aus so gutem Hause stammt«, beharrte Aelianus, »hätte die Familie, der er gestohlen wurde, schon längst die Öffentlichkeit informiert.«
    »Das bezweifle ich!« sagte seine Mutter scharf. Sie schüttelte die Rassel, erst neben dem Kopf des Kleinen und dann vor seinem Gesicht. Wir sahen, wie er darauf mit wedelnden Händchen reagierte. Helenas Mutter war eine intelligente Frau. Sie hatte etwas entdeckt, das selbst mir entgangen war. Das Baby reagierte nicht, bis die Rassel tatsächlich in sein Blickfeld kam. Dann erklärte uns Julia Justa kurz und bündig: »Seine Familie könnte ihn bewußt ausgesetzt haben. Dieses Baby ist taub!«
     
    Ich ließ den Kopf sinken und bedeckte die Augen. Wenn der Kleine von Geburt an taub war, würde er auch stumm sein. Er war verdammt. Die Leute würden ihn als Idioten abschreiben. Es gab keine Chance, ein anständiges Heim für ihn zu finden.
    »Jupiter, Falco!« säuselte Aelianus. »Was werden Sie denn jetzt machen?«
    »Oh, hör auf mit deinen Sticheleien!« Seine Mutter wandte sich auf ihrer Liege wieder dem Tisch zu. »Marcus wird eine passende Lösung finden. Das tut er immer.« Es war schwer zu sagen, ob sie ihren Sohn zurechtwies oder sich über mich lustig machte.
    Ich prostete der Dame zu und

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