Gnadenfrist
Gesetzeshüter passen einfach nicht zusammen. Deine Motive sind viel zu schmierig. Geh mir aus den Augen, Falco.« Das war ernst gemeint. Ich wußte es.
»Red doch nicht solchen Quatsch.«
»Sprich nicht mit mir! Trag deine widerlichen Verdächtigungen woanders hin. Balbinus gehört mir; er hat schon immer mir gehört. Ich kriege ihn. Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich will dich nicht mehr im Wachlokal sehen – ich will dich nirgends in meinem Revier sehen!«
Es gab nichts mehr zu sagen. Ich ließ ihn allein und ging nach Hause. Der Kaiser mochte denken, er hätte mich mit einer geheimen Ermittlung betraut, aber Petronius Longus war die eigentliche Macht auf dem Aventin. Und er hatte mir den Fall gerade aus der Hand genommen und mich rausgeworfen.
L
Es blieb nicht mehr viel Zeit. Sowie Linus’ Leiche gefunden worden war, hatten wir unseren einzigen Vorteil verloren: daß Balbinus sich bedeckt halten mußte. Jetzt hatte er viel weniger zu verlieren. Obwohl er sich weiterhin verstecken mußte, konnte er viel freier agieren. Ihm drohte die Hinrichtung, wenn wir ihn erwischten, aber er war so voller Arroganz, daß er vermutlich dachte, er könne der Festnahme entkommen. Er hatte vor, Rom von einem extravaganten Versteck aus zu regieren.
Eines würde er mit Sicherheit fortsetzen: seinen Rachefeldzug gegen diejenigen, die ihn vor Gericht gebracht hatten. Daran gab es keinen Zweifel. Petronius Longus war in größter Gefahr. Balbinus haßte ihn wegen der Gerichtsverhandlung, und er würde wissen, daß Petronius nach ihm suchte. Den Verbrecherkönig wieder einzufangen, war jetzt Petros einziger Gedanke. Das zu verhindern, mußte das Hauptanliegen seines Feindes sein. Und vor allen Dingen deswegen hatte ich das Gefühl, daß die Zeit knapp wurde.
Ich hatte Helena erzählen müssen, daß ich Persona non grata bei den Vigiles war. Ihr wäre sowieso bald aufgefallen, daß ich zu Hause rumhing, statt zur nächsten Krise zu rennen. Ich mußte ihr auch erklären, weshalb.
»Oh, Marcus, wie schrecklich. Ich hatte so gefürchtet, daß das passieren würde … Wird Petronius seinen Männern sagen, daß du wegen Korruption ermittelst?«
»Seiner eigenen Mannschaft ganz bestimmt.«
»Das bedeutet …« Helena hielt inne. »Derjenige, der Linus verraten hat, wird von deinem Auftrag erfahren.«
»Mach dir keine Sorgen.«
»Dann bist du genauso in Gefahr wie Petro.«
»Liebste, diese Ermittlung war von Anfang an gefährlich.«
»Machst du trotzdem weiter?«
»Ja.«
»Wie denn, wenn Petro sich weigert, mit dir zusammenzuarbeiten?«
»Er wird sich schon wieder einkriegen.«
Da sie merkte, daß ich nicht mehr über den Streit reden wollte, schwieg sie. Das mochte ich an Helena: Sie wußte, wann sie besser den Mund hielt. Außerdem hatte sie ihre eigene Art. Wenn sie sich streiten wollte, griff sie auf nichtige Kleinigkeiten zurück. So konnten die wirklich wichtigen Dinge vernünftiger abgehandelt werden.
Beim Frühstück wirkte sie ziemlich ruhig. Vielleicht war das mein Fehler. Selbst ein warmes Honiggetränk konnte mich nicht besänftigen; ich hatte kaum geschlafen und fühlte mich wie durch die Abwasserkanäle geschleift. Mir fiel auf, daß Helena weder aß noch trank. Das verdüsterte meine Laune noch mehr. Sie war schwanger, und ich beachtete es nicht. Je tapferer sie ihre Misere ertrug, desto mißmutiger machten mich meine Schuldgefühle.
»Wird dir immer noch schlecht?« Sie zuckte nur die Schultern. Ich war als zu beschäftigt abgestempelt worden, um auf dem neuesten Stand gehalten zu werden. Gute Götter, ich wollte diesen ganzen Ärger hinter mir haben, damit ich mich endlich wieder meinem eigenen Leben widmen konnte. »Hör zu, wenn ich gesellig und besorgt sein möchte, dann könntest du wenigstens versuchen, mir dabei zu helfen.«
»Ist schon gut. Du bist ein Mann. Sei einfach du selbst.«
»Das bin ich doch. Aber ich kann auch ungehobelt, stumpf und gleichgültig sein, wenn dir das lieber ist.«
»Ich werde schon nicht die Geduld verlieren, bevor du es gelernt hast.« Sie lächelte. Plötzlich war sie wieder liebreizend.
Ich weigerte mich, darauf einzugehen. »Keine Bange. Ich lerne schnell.«
Helena hielt sich zurück, nahm offenbar Rücksicht auf meine Gereiztheit nach dem Bruch mit meinem besten Freund. Das machte mich nur noch wütender, aber sie schnitt ein anderes Thema an: »Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, es dir zu erzählen, Marcus. Als ich gestern nach Hause kam, fand ich eine weitere
Weitere Kostenlose Bücher