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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Armen gehalten habe.«
    »Ich lasse es in die Kundenkartei eintragen.«
    »Ich bin kein Kunde.«
    »Wollen Sie Bedingungen aushandeln?«
    »Tut mir leid, das kann ich mir nicht leisten. Ich spare für den Besuch der Philosophenschule.«
    »Nicht nötig. So, wie Sie brabbeln, brauchen Sie nicht auch noch Geld für Unterrichtstunden auszugeben.«
    Sie war mir immer noch unangenehm nahe. Ich widerstand mannhaft. Wir kämpften Auge in Auge; sie mußte meine Furcht davor, von ihr in die Mangel genommen zu werden, förmlich riechen. Meine Nackenhaare sträubten sich wie Dachshaarborsten. Es fiel mir nicht leicht, den harten Mann rauszukehren, wo alles in mir danach schrie, meine heiligsten Güter vor ihrem Angriff in Sicherheit zu bringen – einem Angriff, der nicht erfolgte. Für eine Puffmutter war Lalage erstaunlich feinfühlig.
    »Ich will über einen Waffenstillstand verhandeln«, krächzte ich. Sie reagierte mit einem Glucksen, bedeutete mir aber, mit ihr auf einer Liege Platz zu nehmen. Etwas freier durchatmend, hockte ich mich an das entfernte Ende. Lalage legte den Kopf zurück und betrachtete mich. Sie hatte einen langen, glatten Hals und trug heute kaum Schmuck. Ihre Wimpern hoben und senkten sich mit der Kraft und der fließenden Anmut von Tiremerudern.
    Ich seufzte leicht. »Hören Sie auf, sich wie Thais aufzuführen. Sie heißen Rillia Gratiana. Ihre Eltern besaßen ein Schreibwarengeschäft am Fischmarkt.«
    Sie stritt es nicht ab, ermutigte mich aber auch nicht. An alte Erinnerungen zu appellieren, würde mir nicht weiterhelfen. »Ich führe dieses Bordell, Falco. Und zwar gut. Ich sag den Mädchen, was sie zu tun haben, ich habe die Kunden im Griff, ich sorge für die entsprechende Unterhaltung; ich führe die Bücher und kümmere mich um die notwendigen Lizenzen; ich bezahle die Miete und die Kaufmannsrechnungen; wenn es sein muß, wisch ich auch die Treppen und stech die Eiterbeulen des Pförtners auf. Das ist mein Leben.«
    »Und die Vergangenheit ist unwichtig?«
    »Aber nein. Meinen Eltern verdanke ich all meine Kenntnisse über die Stadt und meinen Geschäftssinn.«
    »Sehen Sie sie noch oft?«
    »Sie sind schon vor Jahren gestorben.«
    »Wollen Sie wissen, woher ich so viel über Sie weiß?«
    »Bemühen Sie sich nicht. Sie sind ein Privatschnüffler. Selbst wenn Sie mir mit irgendeiner tränenseligen Geschichte kommen, würde es mich nicht beeindrucken.«
    »Ich dachte, ein Bordell sei ein Ort, wo Männer die Wahrheit über sich erzählen?«
    »Männer sagen nie die Wahrheit, Falco.«
    »Ah ja, stimmt, wir wissen nicht, was Wahrheit ist … Kann ich dann wenigstens an Ihr Mitgefühl appellieren?«
    »Nein«, sagte sie. Also hatte es auch keinen Zweck, sie zu erinnern, wie sie zu der Narbe an ihrem Ohr gekommen war. Sie hatte sie offenbar vergessen, doch ich verspürte bei ihrem Anblick ein warmes Gefühl der Nostalgie.
    Wir waren beide Profis. Aus unterschiedlichen Gründen schwammen wir beide hoch auf den Wogen der Kommunikation – was in meinem Fall Reden bedeutete, in ihrem eher körperliche Interaktion. Die Vorgeplänkel unserer Unterhaltung waren abgeschlossen. Im gegenseitigen Einverständnis gaben wir auf und entspannten uns.
    Ich war der Meinung, keiner von uns hätte dabei an Boden verloren, aber dann begann Lalage nervös mit dem Verschluß ihres Armbandes zu spielen. Vielleicht wurde sie schwach. (Vielleicht hatte das Ding aber auch nur ein kaputtes Schloß.) »Also, was wollen Sie?« fragte sie erneut.
    »Mit Ihnen ein Wort unter Freunden reden.«
    »Ach ja?«
    »Sie machen mich ganz verrückt mit dem Ding. Nehmen Sie’s ab, dann reparier ich’s Ihnen.« Überrascht gab sie ihr Gefummel an dem Armband auf und warf es mir in den Schoß. Es war ein prächtiges Stück: feiner, zu Schnecken gewundener Golddraht, zwischen dem Smaragde befestigt waren, aber leider durch die übliche billige Schließe ruiniert. »Haben Sie eine Pinzette?«
    Sie reichte mir eine ganze Garnitur, sechs oder sieben kleine kosmetische Instrumente an einem Ring. »Juweliere sind so dämlich.« Ich bearbeitete ein verbogenes Stück Golddraht, das neu geformt werden mußte. »Sie arbeiten stundenlang an den feineren Teilen und pfuschen dann beim Verschluß. So, das sollte halten. Wenn Sie das Ding mögen, sollten Sie eine neue Schließe dranmachen lassen.« Ich griff nach ihrem Arm. Nachdem ich das Armband um ihr parfümiertes Handgelenk gelegt hatte, hielt ich es fest, freundlich, aber bestimmt. Sie machte keine

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