Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
endete schließlich mit einem hochnäsigen Exwagenlenker, der einen Reitstall am Marsfeld leitete. Sein Büro war voller Silberkronen, die er bei den Rennen gewonnen hatte, doch irgendwie fehlte der Geruch nach Geld, den ich mit pensionierten Siegern assoziierte, die es meist zu Millionären gebracht hatten. Famia hatte düstere Andeutungen über einen Skandal gemacht, sich dann aber natürlich nicht näher dazu geäußert. Vielleicht hatte der Mann beim Kauf der Sklaven, die er als Fahrer verwendete, die Steuer nicht bezahlt und war erwischt worden. Viele hoffnungsvolle, frischgebackene Geschäftsleute meinen, Finanzvorschriften gälten für sie nicht. Ihnen mit heftigen Geldstrafen auf die Sprünge zu helfen, wirkt Wunder für die Einnahmen des Schatzamtes. Florius war unter anderem deshalb so schwer zu fassen, weil er mit den Weißen sympathisierte. »Die Weißen ?«fragte ich ungläubig. Kein Wunder, daß er sich bedeckt hielt. Niemand in Rom hat was für die Weißen übrig. Sogar die Roten sind beliebter. Ein Mann, der die Weißen unterstützte, tat wahrscheinlich gut daran, unsichtbar zu bleiben.
    Der Exwagenlenker meinte, er werde Florius vielleicht später sehen. Natürlich behandelte er mich voller Mißtrauen. Die Leute kommen nie auf die Idee, daß ein Ermittler jemanden aus gutem Grund suchen könnte, um ihn zum Beispiel von einer unerwarteten Erbschaft zu unterrichten. Mein Auftauchen konnte nur Ärger bedeuten. Wahrscheinlich würde man Florius warnen und ihm raten, mir aus dem Weg zu gehen. Entschlossen, ihn eines Besseren zu belehren, tat ich so, als würde ich mitspielen, und sagte, ich käme in einer Stunde zurück. Dann versteckte ich mich in einer Weinschenke, um die weiteren Entwicklungen abzuwarten. Zumindest bekam ich so etwas zu trinken.
    Der Rennstallsnob verließ umgehend in seinen Umhang gehüllt den Ort. Ich kippte meinen Wein runter und folgte ihm. Er traf sich mit Florius am Pantheon des Agrippa, offenbar ihr üblicher Treffpunkt. Ich blieb ein Stück zurück, aber keiner von beiden war besonders wachsam. Die Hand als Schutz gegen den goldenen Glanz der Kuppel über die Augen gelegt, beobachtete ich die beiden, doch sie schauten kein einziges Mal in meine Richtung. Sie redeten kurz miteinander, ohne sonderlich erregt zu wirken, dann schlenderte der Wagenlenker wieder davon. Florius blieb unter dem Säulenwald von Agrippas Eingangsportikus sitzen. Er schien mit Zahlen auf einer Notiztafel beschäftigt zu sein. Ich überquerte den offenen Platz vor dem Tempel und gesellte mich zu ihm.
     
    Florius war in übler Verfassung. Er war ein formloser Fettkloß, viel zu dick und dazu noch ungepflegt. Seine sackartige Tunika war mit eingetrockneter Sauce bekleckert. Sie war unordentlich über den Gürtel gezogen, an dem eine dicke Lederbörse hing, die vor Alter schwarz glänzte und schon ganz steif war. Seine Stiefel waren ehemals hübsche, kniehohe Dinger, aber die schwierige Lederschnürung war schlammbespritzt und mußte dringend gefettet werden. Seine Füße waren durch Hühneraugen entstellt, die dicken Zehennägel kurz abgehackt, vermutlich mit einem Fleischmesser. Das braune Haar sah aus, als sei es büschelweise von verschiedenen Friseuren an unterschiedlichen Tagen geschnitten worden. Er trug seinen Ritterring, dazu einen Siegelring aus Blutstein und zwei weitere schwere Goldringe. Als schmückend konnten sie kaum bezeichnet werden, da seine Fingernägel bis auf die Haut abgeknabbert waren. Seine Hände sahen aus, als müßten sie dringend gewaschen werden.
    Dieses schmutzstarrende Bündel beantwortete meinen Gruß ohne die geringste Beunruhigung. Er steckte seine Notizen, offenbar irgendwelche Tabellen, weg. (Ich reckte den Hals, hoffte auf eine Liste gestohlener Gegenstände, aber dem war leider nicht so.) Für seine Leidenschaft reichte sein Gehirnschmalz wohl; bei meinem Näherkommen hatte ich ihn so rasch mit dem Stilus kritzeln sehen, daß die Wachstafel innerhalb von Minuten voll mit seinen schiefen kleinen Zahlen war. Ich beschloß, ihn nicht nach den Rennen zu fragen. Er war eindeutig einer dieser Rennbesessenen, die einen zu Tode langweilen.
    Ein böiger Wind hatte scharfe Regenschauer über das Marsfeld getrieben, also schlug ich ihm vor, uns unterzustellen. Er rappelte sich mühsam hoch, und wir gingen durch den Vorraum, vorbei an den Statuen von Augustus und Agrippa, in den Tempel. Obwohl ich das Pantheon selten betrat, hatte es immer eine beruhigende Wirkung auf mich. Die

Weitere Kostenlose Bücher