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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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immer noch, aber die Saepta liegen ganz in der Nähe des Pantheon. Ich zerrte Florius über die Straße und in das überdachte Einkaufszentrum. Dann ließ ich mir von ihm den Laden zeigen, wo Balbinus den Krug gekauft hatte. Kaum hatten wir ihn erreicht, kam der eifrige Besitzer herausgeschossen, um uns zu begrüßen, sichtlich in der Hoffnung, sein Kunde sei zu weiteren Einkäufen zurückgekehrt. Als ich in sein Blickfeld trat, kühlte die Atmosphäre merklich ab.
    Ich sagte Florius, er könne gehen. Seine Ansichten über das Leben waren schon trübe genug. Ich wollte ihn nicht noch mehr deprimieren. Und ich wollte keinen Fremden dabei haben, wenn ich dem schleimigen, gewissenlosen Verkäufer des Glases meine Meinung sagte. All unsere Bemühungen, den syrischen Wasserkrug zurückzuverfolgen, waren Zeitverschwendung gewesen. Er hatte nichts mit dem Fall Balbinus zu tun. Das »gestohlene« Glas war nie gestohlen worden. Ich war nur einem schäbigen, gemeinen Entschädigungsbetrug auf die Spur gekommen – einem, in den ich dazu noch selbst verwickelt war.
    »Hallo, Marcus«, strahlte mich der Händler an, mit der gleichen Unverfrorenheit wie immer.
    In finsterstem Ton erwiderte ich: »Hallo, Papa.«
    »Diese Krone war ja ein herrliches Stück. Ich kann ein Vermögen dafür kriegen, wenn du verkaufen willst. Ich hatte einen Kunden, der interessiert war …«
    »Der sie bereits gekauft hatte, willst du doch wohl sagen?«
    »Ich hab ihm erzählt, Alexander der Große hätte sie einst getragen.«
    »Komisch, genau die gleiche absurde Geschichte wollte mir schon der Kerl aufbinden, von dem ich sie gekauft habe. Ihr seid doch alle gleich. Obwohl bestimmt nicht alle ihre Söhne beklauen und sich auf offenen Betrug einlassen!«
    »Sei doch nicht so unhöflich.«
    »Mach mich nicht wütend. Du Mistkerl, du wirst einiges erklären müssen.«
    Allerdings wollte ich jetzt, wo ich wußte, daß das »gestohlene« Glas nur ein weiteres Beispiel für die Schiebereien meines Vaters war, gar nicht mehr darüber wissen. »Ach, Marcus, reg dich ab …«
    »Hör auf, dich einzuschleimen. Beschreib mir lieber den Mann, der mit diesem schlaffen Salatblatt hier war, das ich eben weggeschickt habe – den Mann, der den Wasserkrug gekauft hat.«
    »Das war Balbinus Pius«, erwiderte Papa.
    »Du kennst den Schurken?«
    »Jeder kennt ihn.«
    »Weißt du, daß man ihn verbannt hat?«
    »Ich hörte davon.«
    »Und warum hast du dann nicht gemeldet, daß du ihn gesehen hast?«
    »Er hat was gekauft; so was laß ich mir doch nicht entgehen. Ich wußte, daß ihm früher oder später jemand auf die Spur kommen würde. Wahrscheinlich dieser große, sauertöpfische Freund von dir … Komm rein, laß uns was trinken«, lud mich mein Vater fröhlich ein.
    Ich machte auf dem Absatz kehrt und stapfte wütend davon.

LV
    Nach wie vor wütend und gereizt, trottete ich nach Hause. Zum einen klangen mir noch immer Papas wortgewaltige Proteste im Ohr – großspurige Behauptungen, er habe nichts Böses im Sinn gehabt (ach, die alte Geschichte!), und pompöses Geblubber, er würde illegale Entschädigungen niemals annehmen … Von einem so verkommenen Subjekt abzustammen, ging mir gegen den Strich.
    Doch damit hörte mein Unbehagen nicht auf. Vielleicht wurde ich allmählich nervös. Das Wissen, daß Balbinus hier war und es sich offensichtlich gutgehen ließ, trotz aller Bemühungen der Gesetzeshüter, deprimierte mich zutiefst. Was hatte das alles für einen Sinn, wenn Verbrecher tun und lassen konnten, was sie wollten, und sich so unverhohlen über Verurteilungen hinwegsetzen konnten?
    Die Stadt wirkte unfreundlich. Ein Karren schlingerte um eine Ecke und scheuchte die Passanten und Tauben, die friedlich an einem Brunnen getrunken hatten, nach allen Seiten davon; der Fahrer mußte die Sperrstunde mißachtet haben, denn es war gerade erst dämmrig geworden, und er konnte es unmöglich von einem der Stadttore bis hierher geschafft haben, ohne das Gesetz zu brechen. Die Leute drängten und schoben rücksichtsloser denn je alle aus dem Weg. Überall wieselten freilaufende Hunde herum und bleckten die Zähne. Finstere Gestalten schlichen durch die Portiken, einige mit Säcken über den Schultern, andere mit Knüppeln und Stangen bewehrt, die als Waffen dienen mochten oder als Haken, um von Fensterbrüstungen und Balkonen Wäsche zu klauen. Gruppen ungeschlachter Sklaven standen tratschend im Weg, ohne den freien Bürgern, die an ihnen vorbei wollten, einen Blick zu

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