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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Wieso? Sie erhob sich, offenbar bereit, mich ziehen zu lassen, und nannte mir zum Abschied in verächtlichem Ton noch einen möglichen Grund für ihre Sorglosigkeit: »Balbinus wird sich in Rom nicht lange halten.« Das Lächeln, das sie mir schenkte, war das süßlichste ihres umfassenden Repertoires – und so gefährlich wie ein Akonittrank. »Balbinus wird nicht am Leben bleiben, stimmt’s? Nicht jetzt, wo Sie nach ihm suchen!«
    Ich sagte, es bestände kein Grund, sarkastisch zu werden, verabschiedete mich respektvoll von der Dame und verschwand eilends.
    Nonnius hatte gehofft, das Verbrecher-Imperium übernehmen zu können, aber Nonnius war tot. Wer sollte wohl nach Lalages Vorstellung die Herrschaft übernehmen, wenn Balbinus erst endgültig abserviert war? Wen sähe sie wohl gern an der Spitze?
    Sie war kompetent und ehrgeizig. Und Lalage war, wie ich von früher wußte, ein kluges und äußerst gewitztes Mädchen.

LIII
    Petronius würde mich nicht mit Mandelkuchen willkommen heißen, wenn ich mit meinen neuesten Informationen zu ihm käme. Zu hören, daß Nonnius seinen Trick durchschaut hatte, würde ihn nur wieder explodieren lassen. Warum sollte ich ihm damit zusetzen? Er wußte, daß Balbinus zurück war; in welche Gefahr ihn das brachte, konnte er sich selbst ausmalen. Was ich herausbekommen hatte, waren nur ein paar unerfreuliche Hintergrundinformationen zu dem Gerichtsverfahren. Lalage hatte angedeutet, daß sie Balbinus auf mysteriöse Weise in der Hand hatte, aber das konnte ein Bluff sein. Wenn nicht, war es immer noch zu vage, um viel zu nützen.
    Trotzdem hatte ich das Gefühl, die Situation besser im Griff zu haben. Das Wichtigste war jetzt, Balbinus Pius zu finden. Ich beschloß, meinen Hals zu riskieren und mir Flaccida vorzuknöpfen. Zu spät: Als ich das Haus am anderen Ende des Circus erreichte, waren die Vigiles bereits da. Ich mußte länger im Bordell geblieben sein, als ich bemerkt hatte. (Nicht der erste Mann, dem das passierte.) Linus’ Beerdigung war vorüber. Petronius war offenbar, ohne viel Zeit auf die rituelle Säuberung zu verschwenden, schnurstracks gekommen, um Balbinus’ Haus zu durchsuchen.
    Flaccida stand bleich und stocksteif auf der Straße, umgeben von den wenigen Sklaven, die ihr noch geblieben waren. Keiner war verhaftet worden, aber Mitglieder der Patrouille waren strategisch so plaziert, daß neugierige Passanten (von denen es viele gab) von ihr ferngehalten werden konnten. Trotzdem mußte es Flaccida gelungen sein, ihre Tochter zu benachrichtigen, denn ich war kaum da, als Milvia nervös und aufgelöst angerannt kam. Sie wurde sofort durch den Bewachungskordon zu ihrer Mutter geführt. Ihr Haus war als nächstes dran.
    Aber Balbinus würden sie weder hier noch dort finden. Petronius wußte das offenbar auch, denn ich sah ihn mit verschränkten Armen im Portikus lehnen. Als er herüberschaute und mich entdeckte, sorgte ich dafür, daß ich in genauso entspannter Haltung auf einem Mäuerchen hockte und am Daumen kaute. Ich hörte ihn den Befehl geben, die Straße von Schaulustigen zu räumen, also verschwand ich lieber gleich.
    Die Situation konnte sich ohne weiteres zuspitzen und noch persönlicher werden. Die Suche nach Balbinus schien schon jetzt zu einem grimmigen Wettlauf zwischen Petro und mir geworden zu sein. Das konnte ein Vorteil sein, wenn es uns beiden die Sinne schärfte. Aber es konnte genausogut unsere Hoffnung, den Verbrecher dingfest zu mache, ein für allemal zunichte machen.
     
    Ich stattete Marcus Rubella einen Besuch ab.
    »Die Sache ist eskaliert. Petronius hat mir das Wachlokal verboten und weigert sich, mit mir zu reden.«
    »Man hat mich schon gewarnt, daß es Schwierigkeiten geben könnte, wenn man Sie beide zusammenspannt.« Das klang, als käme es von unserem alten Zenturio Stollicus.
    »Blödsinn!« schnappte ich gereizt.
    Rubella goß gerade Wasser in sein Tintenfaß und rührte mit einem Stöckchen darin herum – der übliche sinnlose Versuch, eine vernünftige Mischung hinzukriegen. Er besaß eine schicke Schreibtischgarnitur: Tintenfaß, Stilushalter, Sandschälchen, Anspitzmesser und Siegelwachslampe, alle aus Silber. Es sah wie ein Geschenk aus. Vielleicht hatte jemand ihn gern. Ich war es nicht.
    »Wollen Sie von den Ermittlungen abgezogen werden, Falco?« Er wußte, daß mich die Sache mitgenommen hatte. »Sind Sie bereit, Titus zu sagen, daß Sie aufgeben?« Was für ein tückischer Mann. Mitfühlende Menschenführung

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