Gnadenfrist
gehörte nicht zu seinem Repertoire.
»Das kann ich mir nicht leisten. Ich brauche sein Wohlwollen. Ich wollte mit Ihnen sprechen, weil ich hoffte, Sie könnten in der Sache vermitteln.«
Rubella sah mich an, als sei ich eine Küchenschabe, die über seinen Lieblingsschemel krabbelte. »Vermitteln?«
»Tut mir leid. Hab ich aus Versehen einen seltenen etruskischen Dialekt gesprochen? Versuchen Sie es mal mit ›schlichten‹.«
»Sie bitten mich, Petronius Longus zu besänftigen?«
»Sozusagen.«
»Schlagen Sie sich das aus dem Kopf, Falco.«
»Weil es nichts nützt?«
»Weil ich zu sehr am Leben hänge.«
»Sie wollen es also nicht versuchen.«
»Er ist Ihr alter Zeltkamerad.«
»Leider ist er gerade nicht nostalgisch gestimmt. Tja, dann bin ich wohl auf mich gestellt.« Genau das hatte ich gewollt, aber nicht so. Ich erzählte Rubella, was ich von Lalage erfahren hatte; er dankte mir auf seine trockene Art dafür, daß ich es ihm überließ, Petro mitzuteilen, wie Nonnius Albius ihn hereingelegt hatte. »Da Petronius meine wertvollen Talente nicht nutzen will, Rubella, bin ich in der Lage, Anweisungen von Ihnen entgegenzunehmen.«
»Das hört man gern. Gut, wollen mal sehen, worauf kann ich Sie denn ansetzen? Petronius hat den Auftrag, Balbinus zu finden.«
»Ich könnte dabei helfen.«
»Nein. Ich will nicht, daß sich Ihre Wege kreuzen, bevor Ihr Streit beigelegt ist.«
»Ich geh ihm aus dem Weg.«
»Ja.« Rubella schenkte mir sein träges, unaufrichtiges Lächeln. »Das wird das beste sein.« Womit er meinte, er würde schon dafür sorgen. »Wie gesagt, Petronius ist hinter dem flüchtigen Verbrecher her. Was ich Ihnen gern übertragen möchte, ist die Suche nach den gestohlenen Gegenständen aus den Saepta und dem Emporium.« Bevor ich gegen diese untergeordnete Rolle protestieren konnte, fügte er glattzüngig hinzu: »Die Überfälle zu bearbeiten, könnte eine weitere Möglichkeit sein, Balbinus auf die Spur zu kommen. Außerdem haben Sie Verbindungen zur Kunstwelt. Sie scheinen mir bestens geeignet für diese Aufgabe – viel besser als irgend jemand von meiner Mannschaft.«
Nur allzu empfänglich für solche Schmeicheleien, hörte ich mich zustimmen. »Bekomme ich Hilfskräfte zur Verfügung gestellt?«
Rubella fuhr sich mit der Hand über das kurzgeschorene Haar; es mußte sich anfühlen, als würde er über Bimsstein streichen. »Ich glaube nicht, daß Sie vorläufig welche brauchen werden. Kommen Sie sofort zu mir, wenn Sie auf was gestoßen sind, und ich gebe Ihnen Männer.«
Den Spruch kannte ich. Es bedeutete, daß ich allein nach der Beute suchen mußte. Wenn ich sie fand, würde ich mich dem Riesen, der sie gehortet hatte, als einsamer Held entgegenstellen, ihn bescheiden bitten, die Sachen rauszurücken und zu erklären, wie er daran gekommen war … Ich nahm mir vor, weitere Trainingsstunden im Gymnasium einzuschieben.
Als ich gehen wollte, hob der Tribun das Kinn höher als gewöhnlich. »Darf ich annehmen, daß Sie sich nach wie vor der Aufgabe widmen, korrupte Offiziere aufzuspüren?«
»Aber gewiß. Ich halte ständig die Augen offen.«
»Interessant. Und Sie sollen mir darüber Bericht erstatten, soviel ich weiß.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Linus’ Tod hat uns alle sehr getroffen. Ich war bei seiner Beerdigung; mir fiel auf, daß Sie nicht da waren …« Ich ging nicht darauf ein. »Ich hatte darauf gewartet«, sagte Rubella mit einem anzüglichen, höhnischen Grinsen, »daß Sie mich von dem Maulwurf, den es in der Ermittlungsmannschaft der Vierten Kohorte geben muß, informieren.«
Es gelang mir, mit ruhiger Stimme zu antworten, obwohl ich wahrscheinlich rot geworden war. »Ich dachte, diesen Verdacht hätten Sie schon die ganze Zeit gehabt. Und das sei der Grund gewesen, weshalb Titus mich darauf angesetzt hat!« Wir funkelten uns an. Keiner gewann die Oberhand. Je eher ich meine Arbeit für Marcus Rubella beendete, desto glücklicher würde ich sein. »Petronius Longus wird den Verräter, der Linus auf dem Gewissen hat, melden, sobald wir ihn ausgemacht haben.«
»Sie haben ihm gesagt, daß er einen Verräter unter seinen Leuten hat?«
Selbst als Petros bester Freund konnte ich nicht so tun, als wäre er sich dessen bewußt gewesen. »Es schien mir das beste, ihn zu warnen, also sprach ich die Sache gestern abend an, bevor wir uns trennten.«
»Und das war vermutlich der Grund für Ihren Streit?« Das ging nur uns beide etwas an. Rubella bedachte mich
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