Gnadenfrist
Götter schauten friedlich aus ihren Nischen herab, während Wolken über die kreisrunde Öffnung in der Kuppel zogen.
»Herrliches Gebäude«, bemerkte ich. Ich beruhigte meine Verhöropfer gern durch ein bißchen oberflächliches Geplauder – ein paar Nettigkeiten über steinerne Schönheit –, bevor ich ihnen befahl zu reden, oder ich würde ihnen die Leber rausreißen. »Man sagt, dies sei das erste Monument, das von innen nach außen geplant wurde statt umgekehrt. Finden Sie nicht, daß die Proportionen perfekt sind? Die Höhe der Kuppel entspricht genau ihrem Durchmesser.« Florius ging nicht darauf ein. Das überraschte mich nicht. Das Pantheon hätte vier Beine und einen übellaunigen, pockennarbigen kappadokischen Reiter gebraucht, um Florius auch nur ein Fünkchen Interesse zu entlocken. »Tja! Sie sind verdammt schwer zu finden, muß ich sagen!« Er warf mir einen nervösen Blick zu. »Ihr Freund scheint Sie zu beschützen. Sind Sie von unwillkommenen Besuchern belästigt worden?«
Florius räusperte sich. »Was wollen Sie?« Er hatte eine dieser hellen, munteren Stimmen, die immer unzuverlässig klingen.
»Ich bin Didius Falco. Ein Sonderermittler und mit dem Fall Ihres Schwiegervaters betraut.«
Gepeinigt entfuhr es ihm: »Oh, nein!«
»Tut mir leid. Beunruhigt Sie das?«
»Ich will nichts damit zu tun haben.«
Ich wagte mich weiter vor. »Das kann ich Ihnen nachfühlen. Als Sie entdeckten, in welche Familie Sie da eingeheiratet haben, müssen Sie sich wie in der Falle vorgekommen sein.« Er schwieg, widersprach aber nicht. »Ich bin zu Ihnen gekommen, weil mir klar geworden ist, daß Sie anders sind.«
»Ich weiß nichts von dem, was mein Schwiegervater tut.«
»Haben Sie ihn gesehen?« fragte ich freundlich.
»Oh, bitte, ziehen Sie mich da nicht rein!« flehte er.
»Sie haben ihn also gesehen? Wie lange ist das her?«
»Fünf oder sechs Tage.« Interessant. Vor einer Woche hatten wir den Boss der Bosse in Ostia an Bord der Aphrodite gebracht. Florius hatte ganz spontan geantwortet, beschloß dann aber offensichtlich, Balbinus ans Messer zu liefern. »Eigentlich soll ich das niemandem sagen.«
»Natürlich nicht. Es ist nicht richtig von ihm, Sie so unter Druck zu setzen.«
»Ach, ich wünschte, er würde einfach verschwinden.«
»Das wird hoffentlich bald der Fall sein. Wir arbeiten unermüdlich daran.«
»Ah ja?« Florius schien verwirrt. »Da muß ich was mißverstanden haben. Ich dachte, Sie sagten, Sie seien Spezialermittler. Aber Sie gehören zu den Vigiles?«
»Könnte es sein, daß Sie der Ansicht sind, die Vigiles würden der Sache nicht energisch genug nachgehen?«
»Mein Schwiegervater sagt, die tun, was er will«, erwiderte er kategorisch.
Das war eine schlechte Nachricht für Rom. Genau das, was ich untersuchen sollte. Rubella würde begeistert sein. Vorsichtig griff ich das Thema auf: »Hören Sie. Die Sache muß unter uns bleiben.« Er schien dankbar für mein Vertrauen. Ein einfaches Gemüt. »Die Vigiles werden zur Zeit selbst überprüft. Natürlich kann ich Ihnen keine näheren Einzelheiten nennen, aber ich bin unter anderem auch mit dieser Untersuchung betraut … Vielleicht können Sie mir helfen.«
»Das bezweifle ich!« Der dicke Bubi wollte nur den Kopf in den Sand stecken.
»Ich nehme nicht an, daß Balbinus Namen genannt hat?«
»Nein.«
»Hat er irgendwas über seine Flucht vom Schiff gesagt?«
»Das Schiff, mit dem er Rom verlassen sollte? Nein.«
»Können Sie mir sagen, was er von Ihnen wollte?«
»Er wollte nur wissen, wie es Milvia geht. Er hängt sehr an ihr. Ich sollte ihr sagen, daß er wieder zu Hause ist, aber das habe ich abgelehnt.«
»Wenn er so an ihr hängt, warum ist er dann nicht selbst zu ihr gegangen?«
»Er fürchtete, daß unser Haus beobachtet wird.«
»Weiß Milvia, daß er in Rom ist?«
»Nein. Ich will nicht, daß sie es erfährt. Sie ist meine Frau, und ich will sie aus all dem raushalten. Er versteht das nicht.«
»Natürlich nicht, Florius. Er ist sein Leben lang Verbrecher gewesen. Seine Frau ist genauso schlimm. Sie wollten für Milvia einen ehrbaren Platz in der Gesellschaft, aber das bedeutet nicht, daß sie ihren eigenen Lebensstil falsch finden.«
»Na ja, der hat sie schließlich auch reich genug gemacht!« schnappte Florius.
»Wohl wahr. Wissen Sie, wo ich Balbinus finden kann?«
»Nein. Er tauchte einfach eines Tages auf. Früher war ich viel im Portikus Octavia; da hat er mich gefunden. Deswegen komme
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