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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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können.«
    »Die hätten das Kind doch nur versteckt und behauptet, nichts davon zu wissen. Ich bin kein verängstigter Magistrat – ich wollte sie melden, sowie wir Tertulla zurück hätten.«
    Ich bemühte mich, nicht die Stimme zu heben. »Also hast du ihnen das Geld übergeben, und die haben sich natürlich an die Vereinbarung gehalten?« Tertulla hatte ich weit und breit nicht gesehen.
    Helena schüttelte verzagt den Kopf. »Nein. Ich habe das Geld behalten. Sie haben mir gesagt, die Kleine sei nicht da.«
    »Das ist gelogen. Denen ist aufgegangen, daß du kein schüchternes Mäuschen bist und sie vor Gericht bringen wirst.«
    »Das glaube ich nicht. Sie wollten das Geld und waren selbst wütend. Sie sagten, Tertulla müsse ausgebüxt sein, weil sie nirgends zu finden ist. Ich glaube ihnen; sie haben uns sogar suchen lassen …«
    Ich war entsetzt. »Im Bordell?«
    Darauf schwiegen wir beide. Mut war schon immer eine von Helenas hervorstechendsten Eigenschaften, aber ich konnte mir vorstellen, was sie durchgemacht hatte. Da sie alles unversehrt überstanden hatte, nützte es nichts, sich im nachhinein darüber aufzuregen. »Nur die Parzen mögen wissen, wo Tertulla jetzt ist. Bist du wütend auf mich, Marcus?«
    »Nein, aber gute Götter, jetzt bin ich dran: Nimm mich bitte in den Arm!«

Die Zeit verging. Auf den Straßen der Stadt wurde es mit Beginn des Abends immer lebhafter. Die Männer waren in den Thermen gewesen. Die geschniegelten und die schäbigen verließen Heim und Arbeitsplatz. In der Gasse vor uns wurde es immer dunkler; hier brannten nie viele Lampen.
    Ich würde Helena bald nach Hause schicken müssen. Jetzt, wo wir uns beide wieder beruhigt hatten, genoß ich die kurze Zeit mit ihr. Ich brauchte sie. Mit Helena allein zu sein, erfrischte mich. Selbst in einer angespannten Situation konnte ich offen sein, konnte mit ihr so reden, wie mir der Schnabel gewachsen war, und die Vorsicht aufgeben, die allen anderen gegenüber nötig war. Während der Wache mit Martinus hatte ich meine eigenen Absichten verschweigen und seinen Ehrgeiz anstacheln müssen. Mit Helena bekam ich bald wieder einen klaren Kopf.
    »Du hast nicht zufällig einen Mann mit Halbglatze und Unschuldsaugen gesehen, der aussieht, als würde er Stickereien verkaufen, die keinen Tag lang halten?« fragte ich nachdenklich.
    »Den Männern bin ich möglichst aus dem Weg gegangen.« Bestimmt hatten viele Männer sie angestarrt.
    »Oh, gut! Ein Mädchen, das die Bordelletikette ignoriert.«
    »Soll ich noch mal reingehen und versuchen, den Mann zu finden?« fragte sie. Immer zu Abenteuern bereit. Allein bei dem Gedanken brach mir der Angstschweiß aus.
    Zum Glück knurrte mein Magen in diesem Moment laut und vernehmlich. Ich gestand, daß ich kaum etwas gegessen hatte. Obwohl sie es als ihre Bürgerpflicht betrachtete, das Bordell nach Balbinus zu durchsuchen, entschied Helena, daß ihre häuslichen Pflichten Vorrang hätten. Sie ging los, um mir etwas zu essen zu kaufen.
    Während ich aß, fügte Helena dem Lageplan, den ich gezeichnet hatte, weitere Einzelheiten hinzu. Zwischendrin kam Martinus zurück, aber ich mampfte ohne Gewissensbisse weiter. Er war so lange fortgewesen, daß er sich bestimmt ein ordentliches Abendessen gegönnt hatte, bevor er Rubella aufsuchte. »Also, was wird der Tribun für uns tun?«
    »Schlechte Nachrichten, Falco. Rubella interessiert lediglich, daß diese Straße zum Gebiet der Sechsten Kohorte gehört.«
    »Er will sie alarmieren? Das ist doch lächerlich. Ich traue der Sechsten nicht.«
    »Tja, Rubella will die Sache erst mit dem Präfekten abklären, bevor er eine Razzia anordnet …«
    »Rubella ist ein Idiot.«
    »Er plant, die Sache morgen durchzuziehen.«
    »Kein schlechter Plan – wenn es heute nacht wäre.«
    Helena hatte die ganze Zeit schweigend neben mir gesessen. »Was ist mit Petronius?« fragte sie jetzt.
    »Ach, habt ihr das noch nicht gehört?« Martinus’ Augen blitzten fröhlich, also wußte ich, daß es nichts Gutes sein würde. »Er ist von seinem Posten abgezogen worden. Das Wachlokal wurde gestern nacht angegriffen. Die Feuerwehrleute waren alle unterwegs, wegen eines falschen Alarms, aber der Chef war noch da und arbeitete. Jemand hat die Bude mit einem Karren voller Steine und Geröll gerammt – der alte Trick mit dem ›außer Kontrolle geratenen Fahrzeug‹. Die halbe Vorderfront ist eingekracht, aber die Rückseite des Gebäudes hat’s ausgehalten, und Petro kam unverletzt

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