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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Stoff loszulassen, griff sie nur um so fester zu.
    »Oh, Jupiter, Mädchen …«
    Mit geöffneten Armen sprang ich vor und drückte Lalage an mein Herz.
     

Die Vorhangstange krachte herunter. Lalage hatte sie mit ihrem Gewicht aus der Decke gerissen, während sie versuchte, sich aufrecht zu halten. Es gelang mir, die Stange mit der Schulter wegzuschieben. Der Stoff hüllte uns einen Moment lang ein, dann fiel er zu Boden.
    Lalage sackte gegen mich. Meine Knie gaben nach, aber ich hielt sie fest. Sie unterdrückte einen Schrei, während ich bestürzt dastand, sie unter den Achseln packe und beinahe selbst geschrien hätte. In ihrem Rücken steckte ein Dolch, bis ins Heft hineingestoßen. Als ich über ihre Schulter schaute, sah ich überall Blut – es hatte ihr Gewand durchtränkt, eine Pfütze auf dem Boden gebildet und tropfte jetzt auf den Vorhang zu ihren Füßen.
    Sie lebte immer noch. Die Götter mochten wissen, wieso. »Ach, Falco … tut mir leid. Balbinus natürlich – falls Sie zu schüchtern sind, die Frage zu stellen. Wie wollen Sie mich hinlegen?«
    »Tja, auf keinen Fall auf den Rücken. Sie sind die Expertin für außergewöhnliche Stellungen. Was schlagen Sie vor?«
    »Ich muß wohl oben liegen …«
    »Sie genießen das auch noch.«
    »Einmal Hure, immer Hure …«
    »Mir ist durchaus bewußt, daß einige Ihrer besseren Kunden eine Menge dafür zahlen würden.«
    Ich war auf ein Knie gesunken und zog sie sachte und vorsichtig mit mir hinunter. Dann blieb mir nur eines übrig. Ich streckte mich auf dem Boden aus, stützte mich mit dem Ellbogen ab und hielt die auf mir liegende Lalage in den Armen. So wurde das Messer nicht durch ihr Gewicht belastet. Mit einem kleinen zufriedenen Lächeln legte sie ihren Kopf wie ein schläfriges Kind auf meine Schulter. »Oh, das ist schön.«
    »Ich werde Hilfe holen.«
    »Nein, bleiben Sie bei mir, Falco.«
    »Ich kann nichts für Sie tun. Das ist doch lächerlich.«
    »Nur ein bißchen Geduld. Es wird bald vorbei sein. Typisch Mann!«
    »Ich muß wohl müde sein. Nicht gerade in Hochform heute …«
    Sie lächelte. Ich lächelte unwillkürlich zurück. »Stellen Sie mir Fragen, Falco. Nutzen Sie die Gelegenheit.« Sie hatte recht. Ich sollte versuchen, letzte Informationen zu bekommen, statt dumme Witze zu reißen, während sie sterbend in meinen Armen lag.
    »Es spielt keine Rolle mehr.«
    »Warum soll ich umsonst sterben? Ich habe Ihnen von Balbinus erzählt. Sagen Sie, wie hieß noch der junge Offizier, nach dem Sie mich gefragt haben?«
    »Linus«, antwortete ich gehorsam.
    »Linus. Ich kann Ihnen sagen, wie Balbinus von seiner Anwesenheit auf dem Schiff erfahren hat – Tibullinus und Arica.«
    »Dann ist ihr Schicksal besiegelt. Hat er Ihnen verraten, von wem sie es gehört haben?«
    »Von jemand aus einer anderen Kohorte. Einem Jungen, mit dem sie sich angefreundet hatten …« Sie wurde schwächer. Man behauptet immer, die Augen würden glasig werden, aber Lalages Blick war so strahlend, daß es mir das Herz brach. »Ich wollte Sie fragen …«
    Sie brachte den Satz nicht mehr zu Ende. Ich ahnte, was sie mich hatte fragen wollen. Als ich das Messer rauszog und sie sanft umdrehte, berührte ich die Narbe, die immer noch ihr Ohr verunzierte. Ich legte ihren Körper zurecht, glättete ihr Gewand und bedeckte sie halb mit dem üppigen Vorhang. Obwohl sie auf dem Boden lag, sah sie so stattlich und würdevoll aus wie eine Königin in einem Mausoleum.
    Dann rappelte ich mich hoch, stolperte zur Liege hinüber und setzte mich. Einen Moment lang blieb ich in Erinnerungen versunken sitzen; Rillia Gratiana: die ausnehmend hübsche Tochter eines hochnäsigen Schreibwarenhändlers, deren erster Schultag an den Iden des Oktober fünfundzwanzig Jahre her war. Ein Tag, der zu einem örtlichen Skandal geworden war, als ein kleiner Junge aus Furcht, sie könnte ihm sein Schulgeld klauen, seine Zähne in weibliches Fleisch versenkt hatte, lange bevor er sich mit Mädchen auskannte.
    Ich wollte es ihr sagen. Ich hatte es ihr seit jenem Tag, als wir sieben Jahre alt waren, sagen wollen: Der Biß in ihr Ohr war ein Versehen gewesen.
    Doch dazu war es jetzt zu spät.

LXIII
    Der Tumult brach los, als ich die Treppe runterkam. Bis dahin war es ruhig gewesen, so ruhig, daß ich die wilde Hoffnung gehegt hatte, Balbinus könne im Glauben, durch den Mord an Lalage sein Versteck gesichert zu haben, immer noch im Bordell sein.
    Es war zu ruhig gewesen. Irgendwann während Petros

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