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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Kleinen abzublocken. Ikarus hatte ein Messer. Tja, es mag illegal sein, aber ich bin einer jener gesetzestreuen Bürger, die immer damit rechnen, auf einen von der anderen Fraktion zu stoßen. Daher hatte ich auch eins. Funken flogen, als unsere Messer aufeinandertrafen. Ich packte sein freies Handgelenk und drückte es mit aller Kraft gegen meinen Messerarm, um unsere Waffen voneinander zu trennen. Dann schleuderte Martinus einen seiner Angreifer Ikarus ins Knie. Ich entwaffnete ihn und schlug ihn zu Boden. Er trat immer noch um sich, aber mit Smaractus als Vermieter wußte ich, wie man Ungeziefer zertritt.
    Sobald Ikarus aufgab und nur noch flehte, sterben zu dürfen, eilte ich meinen Kameraden zu Hilfe. Der Müller schlug rechts und links Männer zu Brei; Sergius war von einem schmierigen Brutalo in die Ecke gedrängt worden, hielt sich aber tapfer. Martinus war zu Boden gegangen; er war blutüberströmt, hieb jedoch immer noch mit seinen Besen um sich. Die meisten Bordellkunden hatte es ebenfalls erwischt. Unsere Niederlage war unausweichlich. Uns stand ein Massaker bevor. In dem Moment entdeckte ich an der Tür den verdutzt schauenden VIP, seine Hochwohlgeboren, Lalages besten Kunden, heiß auf ein paar Stunden exotischer Massage mit der sinnlichen Besitzerin.
    Niemand konnte ihm gesagt haben, daß Lalage tot war; das wußte nur ich. Der Magistrat (dessen Namen wir, wie gesagt, lieber verschweigen wollen) schien es nicht recht fassen zu können, daß er mit seinen vergoldeten Stiefelchen die dunklen Vorhöfe des Hades betreten hatte. Wie gewöhnlich folgten ihm seine Liktoren. Sie waren gewiefte Männer, darauf trainiert, Ärger schon aus zwei Straßen Entfernung zu riechen. Sie rafften sofort, was hier vorging.
    Martinus murmelte: »Oh, ihr Götter. Tu uns allen einen Gefallen, Falco – bring diesen aufgeblasenen Stiesel hier raus, bevor er kapiert, was passiert!«
    Ich brauchte mich nicht zu bemühen. Macra, das kluge Mädchen, führte ihn schon eilends fort. Die Liktoren, die mit offenem Mund auf die fröhliche Anarchie vor sich geglotzt hatten, rannten ihm nach und formten bereits eine schützende Phalanx im Flur. Nun ja, alle außer einem. Er hatte den Müller entdeckt, der gerade einen Tisch über den Kopf hob, um Sergius zu zerquetschen wie ein Kaninchen, das unter das Rad eines Weinkarrens gekommen ist. Mit einem Aufschrei des Entzückens löste er das goldene Band um sein Rutenbündel. Dann zog er die Axt heraus.
    Jenen von Ihnen, die das schon immer wissen wollten, sich aber nicht zu fragen trauten, kann ich jetzt enthüllen, daß die Axt im Rutenbündel eines Liktors echt ist – und scharf. Die geschliffene Seite blitzte kurz auf. Dem Liktor blieb nur Zeit, seine Waffe am unteren Ende des Griffes zu packen, aber er wußte, was er zu tun hatte. Er schwang sie – schwang seine Axt in einem weiten, herrlichen Halbkreis wie eine Sichel. Er schwang sie, um den Müller von den Füßen zu fegen … Ich sah weg.
    Was mit dem Liktor geschah, erfuhr ich nie. Ich schätze, er entkam. Dank wollte er wahrscheinlich keinen; er war ein Mann, der mal so richtig seinen Spaß gehabt hatte.
    Doch gleich darauf wurde unsere Lage noch düsterer. Tibullinus und Arica waren mit einer Zenturie zurückgekommen. Die Männer waren ausgeruht und gemein. Sie drängten herein und wollten uns allen den Garaus machen. Für ein paar heikle Minuten sah es so aus, als würden Tibullinus und seine Männer dem Fest ein Ende bereiten. Es gelang mir, über den glitschigen, blutverschmierten Boden zu Sergius zu krabbeln, der dabei war, Fensterläden abzureißen. Die anderen kämpften sich zu uns durch und zerrten Martinus mit. Gegenüber füllten sich die beiden schmalen Türöffnungen mit häßlichen Vigiles. Alle Verbrecher, die sich noch halbwegs bewegen konnten, schleppten sich zur Seite, um Platz zu machen für den Angriff der Helden von der Sechsten Kohorte. Bereit, unser Bestes zu geben, nahmen wir Aufstellung. Die Fensterläden würden uns als Waffen dienen. Vielleicht konnte der eine oder andere von uns auf die Straße hinausklettern. Doch auf der Straße waren noch mehr Soldaten – das konnten wir hören.
    Jemand sagte etwas zu Arica. Er gab es an Tibullinus weiter. Im nächsten Moment waren die beiden Türöffnungen leer, genauso wie der Flur davor. Wieder rannten kreischende Mädchen vorbei, diesmal in die andere Richtung, drängelten zum Ausgang. Verdutzt standen wir da, fühlten uns verlassen. Dann stürmten wir ihnen

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