Gnadenfrist
und meiner langen Gefangenschaft hatte man die Jungs, die mit mir zusammen gekommen waren, geschnappt und eingesperrt. Keiner hatte glauben können, daß wir zu so wenigen eingedrungen waren, also mußte eine ausführliche Suche begonnen haben. Der Himmel mochte wissen, wie vielen wütenden Männern ihr Abendvergnügen durch Tibullinus, Arica oder die Bande von Schurken, die hier Unterschlupf gefunden hatte, verdorben worden war. Die Wut dieser Kunden wurde mißachtet – eine total unangebrachte Arroganz.
Außer sich, weil sie ihr Geld umsonst ausgegeben hatten, wurden Platons Kunden zu einem trotzigen und widerspenstigen Haufen. Lalage hätte ihnen niemals auf diese unverschämte Art und Weise ihr Gerammel verweigert. Das Versprechen einer Entschädigung brachte sie nur dazu, sich mürrisch an der Tür zu drängen, viele immer noch halbbekleidet, und auf fleischliche Freuden zu hoffen. Nach einer Stunde Feilschen und Schachern mit Macra geschah das Unvermeidliche: Durch einen Prozeß naturgegebener Demokratisierung erklärte sich einer von ihnen zum Anführer. Er stachelte die anderen auf und führte sie zurück ins Bordell zu einer kleinen Sause.
Als erste Tat befreiten sie Sergius und die Jungs. Sergius erklärte, was los war, und machte ihnen (mit einem Zwinkern) klar, daß er aus dienstlichen Gründen den enttäuschten Kunden raten müsse, sofort nach Hause zu gehen. Wie ich vielleicht schon erwähnt habe, war Sergius ein großer, gutaussehender Kerl, der sich besonders durch das Prügeln anderer Leute hervortat. Er brauchte nur daran zu denken, und schon bekamen alle anderen die gleiche Idee. Ein Zwinkern von Sergius genügte, um aus Platons normalerweise friedlichen Kunden plündernde und brandschatzende Gallier zu machen.
Als ich die Treppe herunterkam, tobte die Schlacht bereits auf zwei Stockwerken des Bordells. Wenn ich nach draußen wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als erst mal mitzumischen.
Ich wickelte mir den Gürtel um die eine Hand, mit der Schnalle nach oben, und griff mir mit der anderen eine Fackel. Wild um mich dreschend, bahnte ich mir einen Weg durch das unübersichtliche Getümmel. Es war unklar, wer hier gegen wen kämpfte. Ich rannte durch einen Korridor mit schreienden, halbbekleideten Frauen, dann traf mich etwas, von dem ich hoffte, daß es Waschwasser war, voll ins Gesicht; dazu kicherte so hoch wie monoton ein verrückter Mann.
Die Hauptaktivität fand in der großen Halle statt. Es war ein Meer der fliegenden Fäuste und zerzausten Köpfe. Einer der Kerle stürmte sofort auf mich zu. Er hatte eine Wespentaille und so breite Schultern, daß er aussah wie ein Trapez auf Beinen: ein Muskelfreak. Doch es nützte ihm nichts. Ohne auf seine sorgfältig geübte Eröffnung zu warten, versetzte ich ihm einen Tritt unter die Gürtellinie, knallte ihm, als er sich krümmte, den Stumpf meiner Fackel in den Nacken und schubste ihn zurück ins Gewühl. Von der anderen Seite des Raumes schickte Sergius mir ein anerkennendes Grinsen. Ich hatte keine Zeit, zurückzugrinsen, weil jemand mit einem Schemel auf mich losging, die Beine zuerst. Ich schnappte mir eines der Beine und rückte es zur Seite, bevor ich Ellbogen und Knie einsetzte.
Die hier arbeitenden Mädchen hatten sich zusammengetan, einige standen an der Tür des Refektoriums herum. Andere stürmten verwegen vorwärts, spuckten, warfen mit Tabletts und Bechern, kniffen, kratzten und zogen die Männer an den Haaren. Auf wessen Seite sie standen, war unklar – vielleicht auf jeder, die es ihnen erlaubte, endlich mal mit den Männern abzurechnen. Eine riesige, dunkelhäutige Amazone entschied sich für mich und kam mit bebenden Brüsten näher. Zu meiner Erleichterung versandete der Angriff kurz vor dem Ziel, und sie vergrub ihre Zähne in meiner Hand. Ich packte ihre Nase und kniff zu, bis sie losließ.
Zwei der Jungs arbeiteten gut zusammen, schlugen die Schurken mit geübter Routine zu Boden. Andere dagegen hatten mehr zu leiden. Wir waren absolut in der Minderheit. Schon bald gingen uns Energie und Eleganz aus. Aus dem Flur ertönte ein Donnern. Nutten rannten kreischend an der Tür vorbei. Martinus kam rückwärts in den Raum und wehrte mit überkreuzten Besenstielen drei oder vier angreifende Schläger ab. Dahinter erschienen lachend der Müller und Klein-Ikarus, die sich ihre Opfer griffen.
Zähnefletschend stürzte sich Ikarus auf mich. Ich packte einen bewußtlosen Straßendieb an der Tunika und benutzte ihn, um den
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