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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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des Alleinseins.
    Der Vorhang war jetzt zusammengerafft und mit einer troddelbewehrten Kordel an der Wand befestigt. Niemand verbarg sich dahinter, wie schon gesagt. Warum Lalage dort stehen blieb, war nicht klar. Aber das tat sie, hoch aufgerichtet wie ein Speer, die eine schmale Hand in den Falten des Vorhangs vergraben. Die Hand war so tief im Stoff verborgen, daß ich nicht sehen konnte, ob sie Ringe trug.
    Ich verschränkte die Arme. Die Luft war heute nacht mit Gefahren aller Art erfüllt. Meine Augen wanderten über die Möbel, so lange, bis ich zufrieden war. Ich konnte den Boden unter dem Bett in der Nische sehen und auch unter der Liege, auf der sie normalerweise saß. Tische, Schemel, Wandborde, alle sahen völlig unschuldig aus. Keine Fenster. Die Decke war solide verputzt; keine Dachbalken, die als Versteck dienen konnten. Ich suchte die Wände nach Türen ab; es gab keine, zumindest keine sichtbaren. Die rüschenbesetzte, rosenfarbene Bespannung war zu dünn, um einen Flüchtigen zu verbergen.
    Lalage lächelte. »Ein echter Profi am Werk.«
    »Wir haben alle so unsere Fähigkeiten. Ich weiß die meinen einzusetzen.«
    »Arbeiten Sie heute nacht, Falco?«
    »Ja.« Heute nacht waren wir Ebenbürtige. Ich erlaubte mir ein bedauerndes Grinsen, das sie mit einem leichten Neigen des Kopfes hinnahm. »Wo ist er?« fragte ich mit leiser Stimme.
    »Nicht hier. Er ist geflohen.«
    »Sind Sie bereit, mir das näher zu erklären?«
    »Muß ich das?« fragte sie schelmisch. »Der große Bösewicht war so mächtig, daß er mich besiegt und beiseite geschoben hat. Balbinus übernahm das Etablissement, und ich mußte hilflos zuschauen.«
    Sie brachte mich zum Lachen. »Das glaub ich einfach nicht!«
    »Vielen Dank.« Ihre Augen strahlten, obwohl ihr Seufzer müde klang. »Sie haben gute Manieren, Falco. Außerdem einen begehrenswerten Körper, anziehende Intelligenz und hinreißende Augen.«
    »Sie spielen mit mir.«
    »Oh, wir haben alle unsere Fähigkeiten.«
    »Wo ist er?« Ich blieb hartnäckig.
    »Zurück zu dem Loch, in dem er sich versteckt. Wahrscheinlich in Verkleidung. Sein Unterschlupf ist auf dem Aventin. Wo genau, weiß ich nicht. Ich hab versucht, das für Sie rauszufinden.«
    »Nicht für mich.«
    »Dann eben für mich selbst. Der Plan – oh ja, es gab einen Plan, Falco – war, daß ich so tat, als hätte ich schreckliche Angst vor dem, was er mir für meine Aussage vor Gericht antun würde. Ich ließ ihn das Bordell benutzen, um zu wissen, wo er war.«
    »Wenn Sie helfen wollten, warum haben Sie dann nicht sofort die Vigiles benachrichtigt?«
    »Hier? Die ach so zuverlässige Sechste?«
    »Sie hätten sich mit Petronius in Verbindung setzen können. Er ist unbestechlich. Er hat Ihnen gesagt, daß er die Information kaufen würde, falls nötig.«
    »Sie war nicht zu verkaufen.« Ich glaubte ihr. Wenn sich Lalage entschied, jemanden zu verraten, dann nur aus ihren eigenen Motiven. Motiven, die stark genug waren, um den finanziellen Aspekt außer Kraft zu setzen. Verkauf war für sie eine rein körperliche Sache. Mit ihren Feinden würde sie etwas anderes machen.
    »Und was ist schiefgelaufen, Lalage?«
    »Hauptsächlich Sie.« Das sagte sie so, als täte es ihr leid, mich da hineinzuziehen. »Tibullinus hat ihm heute abend erzählt, daß Sie da draußen sind und das ›Platons‹ überwachen. Balbinus hat mir die Schuld gegeben.«
    »Es hatte nichts mit Ihnen zu tun!«
    »Spielt das eine Rolle?« Sie schloß kurz die Augen. Ein Abklatsch ihrer alten Verführungsmasche, fast zu flüchtig, um zu zählen. Ich sah eine Frau vor mir, die aus irgendeinem Grund über die Grenzen ihrer sonstigen Stärke hinausgegangen war. Sie sah fast krank aus. »Wie auch immer, Balbinus ist sofort gegangen. Tibullinus und Arica habe ich ebenfalls rausgeworfen – also sind nur noch wir zwei übrig.«
    »Machen Sie sich um die keine Sorgen. Tibullinus und Arica – und wenn nötig, die gesamte Sechste Kohorte – haben eine gerichtliche Untersuchung wegen Korruption vor sich.«
    »Das glaub ich erst, wenn ich es sehe, Falco. Sie sollten lieber auch schnellstens verschwinden. Noch sind die beiden im Dienst, und ich schätze, daß sie mit der ganzen Kohorte zurückkommen werden.«
    »Was ist mit Ihnen?«
    »Machen Sie sich um mich keine Gedanken.«
    Ich machte mir um etwas ganz anderes Gedanken. Der Vorhang über ihr begann sich aus seiner Verankerung zu lösen. Putz regnete von der Decke auf ihr Haar herab. Doch statt den

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