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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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kannst. Nicht, nachdem ich gehört hatte, daß du diesen Idioten Martinus zu irgendeinem verhängnisvollen Unternehmen überredet hattest.«
    »Tja, ich bin froh, daß du hier bist«, sagte ich mit warmer Stimme.
    »Geh zum Hades«, befahl er, allerdings in freundschaftlichem Ton.
    Nach einer Weile sagte ich: »Ich hab von dem Versuch gehört, dich kaltzumachen.«
    »Reinste Dummheit.«
    »Balbinus ist nicht dumm. Er weiß, daß du der einzige bist, der ihm Schwierigkeiten machen kann.«
    »Du hast recht. Ich hätte mit Ärger rechnen sollen.« Petronius war bereit, darüber zu sprechen. Die Gefahr, in der er sich befand, hatte ihm auf der Seele gelegen, und es gab sonst niemanden, dem er sich hätte anvertrauen können. Seine Frau Silvia wäre vor Angst Amok gelaufen, und Rubella meinte offensichtlich, mit der Anordnung eines vorübergehenden Exils genügend Mitgefühl bewiesen zu haben. »Der falsche Feueralarm war natürlich eine Finte. Jemand wußte, daß ich an dem Abend länger arbeiten würde.«
    »Hast du schon eine Ahnung, wer?« fragte ich vorsichtig.
    »Jemand aus meiner Mannschaft. Wahrscheinlich der gleiche, der Linus verraten hat.« Mit einer kaum wahrnehmbaren Veränderung seiner Stimme gab er endlich zu, daß es einen Verräter in der Kohorte gab.
    »Weiß du, wer es war?« wiederholte ich.
    »Ich hab schon seit einiger Zeit einen Verdacht, bin der Sache aber noch nicht nachgegangen.«
    Schweigen. Den Namen seines Verdächtigen nannte er mir nicht. Das war in Ordnung. Ich sagte ihm auch nicht, wen ich in Verdacht hatte.
    »Also«, meinte ich dann fröhlich. »Warum hast du noch so spät gearbeitet? Berichte geschrieben?«
    »Nein. Während du mit Martinus in einer Imbißbude Versteck gespielt hast, mußten andere die Arbeit erledigen. Na ja, was Rubella darunter versteht. Mich hat er mit dem Rechnungsprüfer vom Tempel des Saturn zusammengesperrt – du weißt schon, der Kerl, der mit der Beschlagnahmung von Balbinus’ Besitztümern beschäftigt war.«
    »Bist du auf was Brauchbares gestoßen?«
    »Nichts, außer du möchtest dich darüber kaputtlachen, daß ›Platons Akademie‹ ein Mietobjekt ist, das Balbinus ›gewaschen‹ hat. Dieser Hühnerstall gehört zur Mitgift seiner Tochter. Also ist der schlappschwänzige Florius hier der Hausherr.« Wir lachten.
    Vermutlich hatte Florius keine Ahnung. Er wäre nicht der erste ehrbare, selbstgerechte Ritter, zu dessen Reichtümern legendäre Bordelle und getarnte Räuberhöhlen gehörten, ohne daß er davon wußte.
    Ich bewegte mich. Es tat unerträglich weh. Ich wollte weg. »Als du herkamst, hast du da Martinus, Sergius und die anderen getroffen?«
    »Martinus zerrte gerade einen halbtoten Taschendieb raus – einen Informanten, nehme ich an.«
    »Igullius?«
    »Wenn du das sagst. Die anderen hab ich nicht entdecken können.« Petro sprach abgehackt. »Und wenn sie auch nur einen Funken Verstand besitzen, haben sie dafür gesorgt, nicht mit mir gesehen zu werden.«
    Tibullinus hatte offenbar die Tür nicht richtig geschlossen. Ein Luftzug hatte sie einen Spaltbreit geöffnet. Draußen im großen Raum war es vollkommen still, als sei die Nacht schon vorbei. Das Publikum, die Musikanten und die Mädchen waren nach Hause gegangen. Oder hatten sich wenigstens in privatere Gemächer zurückgezogen.
    Wir hatten keine weitere Gesellschaft bekommen. Das konnte heißen, daß die anderen Vigiles nichts Interessantes gefunden hatten; vielleicht hatten sie uns im Stich gelassen. Typisch für Martinus, bemerkte Petro. Ich sagte nichts. Nachdem ich mir die Treulosigkeit seines Stellvertreters zunutze gemacht hatte, bewegte ich mich auf diesem Gebiet mit äußerster Vorsicht.
    Bewegen war das falsche Wort. Ich konnte mich kaum rühren. Jeder Versuch war qualvoll. Meine Arme waren so angeschwollen, daß es fraglich schien, ob sie je wieder zu gebrauchen sein würden. Ich probierte verschiedene Stellungen aus, aber es gab nur eine, die etwas Erleichterung versprach. Also stieß ich, um wenigstens meinen verletzten Gefühlen Luft zu machen, einen mächtigen Rülpser aus.
    Darauf wisperte ein kleines weibliches Stimmchen von der Tür her: »Onkel Marcus, bist du das?«
     
    Ich hörte, wie Petro tief einatmete. Es gelang mir, meine Hysterie so weit wie möglich zu unterdrücken und wie ein Onkel zu klingen, der die Taschen voll honiggetränkter Datteln hat. »Tertulla! Himmel, ich erkläre dich sofort zu meiner Lieblingsnichte. Hol eine von den großen Fackeln da

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