Gnadenfrist
Petro und ich fingen an zu husten. Der Rauch war so dick, daß wir Schwierigkeiten hatten, die Tür zu finden. Als wir keuchend und hustend hinausstolperten, kam ein Vigile mit der Axt in der Hand die Treppe hinaufgestürmt und deutete nach oben.
»Wer lebt in den anderen Wohnungen?«
»Niemand. Die sind in noch schlimmerem Zustand als diese hier.«
»Dann beeilt euch. Nichts wie raus!«
Wir taumelten alle drei die Treppe hinunter, erleichtert, dem Inferno entronnen zu sein.
Eine Pumpengruppe kam angerannt, die Pumpe im Schlepptau. Sie kämpfte sich zur Wäscherei durch, und bald wurden mehr Eimer in schnellerem Tempo weitergereicht. Noch mehr Patrouillen trafen ein. Sobald Petronius wieder bei Atem war, befahl er den Neuankömmlingen, die Menge in Schach zu halten und die Neugierigen zurückzudrängen. Ein Rekrut kam mit einem Eimer auf die Straße und löschte die Hochzeitsfackeln. Auch ohne sie hatten wir inzwischen genug Licht. Eine Balliste erschien an der Straßenecke, blieb aber am Eingang der schmalen Gasse stecken. Smaractus sah sie, geriet in Panik, stakste immer noch halbbetrunken herum und drohte, jeden zu verklagen, der eines seiner Häuser einriß, um eine Feuerschneise zu schaffen. Er führte sich derart auf, daß die Vigiles ihn wegen fehlender Feuerlöscheimer, Einmischung in ihre Pflichten und (nur für alle Fälle) Brandstiftung mit seiner Brautfackel verhafteten.
Das Feuer war jetzt eingedämmt, allerdings unter Schwierigkeiten. Ein Problem war die Außentreppe. Sie war sowieso schon wacklig gewesen, und das Gewicht schwerer Feuerwehrmänner, die mit ihren Eimern rauf- und runterrannten, erwies sich als zuviel. Das bröckelige Mauerwerk gab nach, zum Glück ohne viel Schaden unter den Feuerwehrleuten anzurichten. Petronius stürmte ihnen zu Hilfe und wurde von einem herabfallenden Fensterladen getroffen. Ich zerrte ihn rasch beiseite. Zumindest war er bei Bewußtsein. Zwei Feuerwehrleute kümmerten sich um ihn, fächelten ihm Luft zu und untersuchten ihn auf gebrochene Knochen. Sie kannten sich aus.
Cassius betrachtete niedergeschlagen mit verschränkten Armen den Verlust seiner Räumlichkeiten. Für einen Moment verließ ich Petro und ging zu ihm hinüber.
»Hätte schlimmer sein können. Stell dir vor, du hättest da drinnen gelegen und geschlafen.«
»Nicht, solange Lenia und Smaractus da oben wie die Wilden zugange waren! Aber trotzdem vielen Dank, Falco.« Ich hatte mich umgedreht. »Übrigens«, fragte der Bäcker, »hat jemand in den oberen Stockwerken nachgesehen?«
»Da wohnt doch keiner, oder?«
»Ich hab ein paarmal eine alte Frau raufgehen sehen. Könnte eine neue Mieterin sein – Smaractus vermietet doch alles. Oder eine Stadtstreicherin.«
»Gute Götter. Hast du eine Ahnung, wo sie untergekrochen ist?«
»Wer weiß?« Cassius zuckte die Schultern, zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt.
Ich ging zu dem Zenturio und wollte ihm sagen, daß oben vielleicht noch jemand eingesperrt war. Im gleichen Moment hatte er es selbst bemerkt: Im dritten Stock wurde ein Fensterladen geöffnet, und wir sahen durch den Rauch ein verängstigtes Gesicht.
Als die Treppe zusammengebrochen war, hatten die Vigiles Leitern an die Hauswand gestellt. Ohne ein Wort rannten der Zenturio und ich hinüber, schnappten uns eine davon und beteten, daß sie lang genug war. Wir zerrten sie vorwärts und lehnten sie unter dem richtigen Fenster an die Wand. Sie reichte kaum bis zum Sims. Die Gestalt am Fenster war verschwunden. Wir brüllten, aber es kam keine Antwort.
Der Zenturio fluchte. »Wir müssen eine Brücke über die Straße schlagen.« Ich hatte sie schon mal dabei beobachtet, wie sie Leitern an Seilen hoben und senkten und so einen gefährlichen Überweg schafften. Besser die als ich.
Aber es würde Zeit kosten. Das war unvermeidbar. Der Zenturio hatte sich abgewendet und gab Befehle. Solange er mir den Rücken zukehrte, sprang ich auf die untersten Sprossen der Leiter und begann meinen Aufstieg.
Ich war für dieses Unternehmen völlig unpassend gekleidet. Das dünne Material meines Anzugs aus Palmyra schrumpfte jedesmal, wenn mich ein Funke traf, zu kleinen Brandlöchern zusammen. Den Hut hatte ich aufbehalten, in der vagen Hoffnung, so mein Haar vor den Flammen zu schützen. Unter mir hörte ich ein Aufstöhnen, als die Leute begriffen, was ich vorhatte.
Ich erreichte den Fenstersims und rief hinauf, aber niemand erschien. Vorsichtig kletterte ich höher und konnte einen
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