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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Hochwohlgeborenen zu beschmutzen, als er an mir vorbeirauschte. Der Valde Interest Patricius (ein VIP, wie er im Buche stand) übersah unsere Höflichkeiten. Vielleicht, weil seine Ergebenheit gegenüber seiner kultivierten, einflußreichen, etwas älteren (aber immens reichen) Ehefrau allgemein bekannt war.
    Macra warf uns einen verächtlichen Blick zu, stieß die Tür ganz auf und gab den Weg in den vom Tageslicht erhellten und nach Veilchen und Honigwein duftenden Raum frei. Dann rauschte sie hinter dem Magistrat her. Wir traten ein und begrüßten Lalage.
    Ihr Gesicht war das einer ehemals schönen Frau, so dick bemalt, daß man kaum die darunter verborgenen, immer noch feinen Züge erkennen konnte. Sie trug ein gelbes Seidengewand, das sie angelegentlich zurechtzupfte, um einen geölten und parfümierten Körper zu bedecken, der zwei aufrechte Bürger schwer schlucken ließ. Ihr Kopfschmuck bestand aus orientalischen Perlen, für die eine Kaiserin glatt ihr Leben gegeben hätte. Um den Hals trug sie eine Kette aus Saphiren und Amethysten. An ihren Armen klimperten Reifen aus griechischem Goldfiligran. Ihre Augen waren wuterfüllt. Sie hieß uns nicht in ihrem Etablissement willkommen und bot uns auch nichts von dem starken Honigwein an.
    Die berüchtigte Lalage hatte eine kleine Narbe an ihrem entzückenden linken Ohr, die nostalgische Erinnerungen wachrief. Sie gab vor, eine elegante orientalische Kurtisane zu sein, aber ich wußte genau, woher dieses kostbare Hühnchen stammte. Ich kannte sie von früher.

XX
    »Wird es lange dauern?« Ihre Stimme hatte den Charme in Essig klappernder Kiesel, die eine verbrannte Pfanne säubern. »Wir erwarten Gäste.«
    »Lykier vielleicht?« fragte Petronius.
    »Sie haben Nerven.« Noch immer war sie mit dem Faltenwurf ihres Kleides beschäftigt und daran viel mehr interessiert als an uns. »Ich hoffe, es ist was Wichtiges«, zischte sie und sah plötzlich auf. »Zum Glück waren wir fertig, sonst hätte ich Sie dafür umgebracht, daß Sie diesen Kunden unterbrechen. Er ist mein bester.«
    »Und wird persönlich bedient«, meinte Petro.
    »Er weiß eben, wo er das Beste findet!« höhnte Lalage. Ich merkte, daß sie uns genauestens musterte: Petronius, stämmig, zäh und feindselig; ich, weniger groß, aber genauso zäh und noch geringschätziger als er.
    »Hat seine Liktoren wohl zu Hause gelassen, was?« fragte ich herausfordernd. Ich meinte die vom Staat bezahlten Leibwächter hoher Beamter; sie hatten ihren Herrn überallhin zu begleiten und ihm die Rutenbündel, in denen eine Axt steckte, als Zeichen seiner Macht voranzutragen. Oder, wie Petro zu sagen pflegte, als Zeichen dafür, was für ein Riesenesel er war.
    »Wir kümmern uns um die Liktoren.«
    »Hätt ich mir denken können! Liktoren wissen meist sehr gut, wohin mit ihren Ruten«, sagte ich.
    »Ein Mann sollte immer seine Liktoren dabeihaben, Marcus Didius«, rügte Petro mich ernst.
    »Oh, das stimmt, Lucius Petronius«, korrigierte ich mich förmlich. »Wer die Liktoren zu Hause läßt, macht seine Ehefrau mißtrauisch.«
    »Und er ist ein Magistrat, also muß er ein kluger Kopf sein! Er wird wissen, wie er den alten Besen, den er zu Hause im Atrium sitzen hat, hinters Licht führen kann. Außerdem halten die Liktoren bestimmt den Mund über seine Ausflüge, solange auch sie auf ihre Kosten kommen …«
    »Ersparen Sie mir die Komödie!« unterbrach Lalage. Sie schwang ihre nackten Füße zur Seite und setzte sich auf den Rand des Diwans, eine überladene Angelegenheit voller Bronzeschnörkel und vollgepackt mit Kissen, die man gern als »feminin« bezeichnet. Mir fielen auf der Stelle verschiedene Frauen ein, die Lalage aus dem Fenster schubsen und ihren mit Fransen und Troddeln versehenen rosa Plunder hinterherwerfen würden – nicht so sehr aus moralischen Gründen, sondern aus Abscheu vor ihrem Geschmack.
    Unter Funkeln und Klirren ihres Geschmeides verschränkte sie die Arme und wartete ab.
    Petronius und ich hatten absichtlich an entgegengesetzten Ecken des Zimmers Position bezogen, so daß sie den Kopf drehen mußte, um den anzusehen, der gerade sprach. Weniger abgebrühten Gesprächspartnern gegenüber war das eine alarmierende Taktik. Lalage hatte vermutlich genügend Erfahrung darin, mit zwei Männern gleichzeitig zu verhandeln. Trotzdem hielten wir uns an diese Routine, und sie ließ uns unseren Spaß.
    »Wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen«, begann Petro.
    »Noch mehr Fragen? Ich dachte,

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