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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Sie wußte immer noch nicht, was ich da andeutete; sie hatte zu viele Männer gesehen, um sich an mich zu erinnern. Ich merkte, wie sie das Interesse verlor – was mir das starke Gefühl gab, etwas unerledigt gelassen zu haben.
    Unerwartet wandte sie sich wieder Petro zu. »Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit! Was wollen Sie also?«
    Sie spielte mit unserer Taktik: gönnte dem einen eine Pause, um ihn dann unvermittelt zu überrumpeln. Petro gelang es, sich nicht verblüffen zu lassen. Sein Kinn ruckte hoch, aber er verwandelte es in eine selbstsichere Geste, strich sich das Haar zurück wie ein Lebemann, der sich von so was wie einer Frau nicht aus der Ruhe bringen läßt. »Mit Ihnen über den Raubzug im Emporium sprechen.«
    »Oh, der war nicht von Pappe!« Sie rollte die Augen, die immer noch sehr schön waren: weit auseinanderliegend, groß, dunkel wie ein Winterabend und voller Verheißung. Mir persönlich waren Augen lieber, die subtiler wirkten. Aber Lalage hatte unzweifelhaft schöne Augen.
    Auch Petronius waren sie nicht entgangen, obwohl das nur ein enger Freund wahrnehmen konnte. »Ja, man redet überall davon – aber keiner will mir flüstern, wer die schmutzige Tat begangen hat.«
    »Und was denken Sie, wer es war?« fragte Lalage, als wolle sie ihm schmeicheln.
    »Zum Denken hab ich keine Zeit. Ich brauche Namen.«
    Sie versuchte, das unschuldige kleine Frauchen zu spielen. »Aber wie kommen Sie denn darauf, daß ich etwas über die Diebe wissen könnte?«
    Petro verlor allmählich die Geduld. »Sie meinen, außer der Tatsache, daß Ihr Gastraum unten voller Leute ist, die hinter Beerdigungszügen herschleichen und die Trauernden bestehlen, Dieben, die an Türen klopfen und das Scheucht-den-Pförtner-Spiel spielen, Fassadenkletterer, Kellerratten und dazu den kleinen Dreckskerl, der den Leuten eine Fliegenattrappe ins Gesicht baumeln läßt und ihnen die Börse aufschneidet, während sie das Viech wegscheuchen?«
    Ich war beeindruckt. Wir hatten nur einen kurzen Blick in den Raum werfen können. Petro mußte scharfe Augen haben. Er kannte sich offensichtlich aus.
    Und ich kannte ihn. Ich hatte die Zeichen erkannt: Er fühlte sich unwohl hier und wollte Lalage rüber in sein Wachlokal schaffen. Wäre sie ein wohlerzogenes Schulmädchen gewesen, das noch nie mit einem Gesetzeshüter gesprochen hatte, dann hätte er vielleicht eine Chance gehabt. Aber ihm mußte klar sein, wie sehr er sich zum Narren machen würde, wenn er einen glitzernden, safrangelben Schmetterling in Handschellen abführte, der ihn von hier bis zum Aventin lautstark beschimpfte. Die Festnahme einer Puffmutter läuft niemals diskret ab.
    »Reden Sie schon wieder von Razzien?« Lalage lachte. Sie spürte, daß sie wieder Oberwasser bekam.
    »So dumm ist er nicht«, versicherte ich. »Bis wir die Espartos hier haben, ist der ganze Laden geräumt. Macra hat bestimmt alle sofort gewarnt, nachdem sie Ihren Magistrat zu Ende massiert hat.«
    »Ich hoffe, sie war gründlich«, grinste die Puffmutter schamlos. »Ein Mann in seiner Position ist es nicht gewöhnt, gehetzt zu werden.«
    Ich fand, es war an der Zeit, den Mann aus dem Amt zu jagen. Rom würde nie gesäubert werden, wenn die Verbrecher, die Petronius vor Gericht brachte, einfach nur dem Richter zugrinsen mußten, den sie nach ihrem üblichen Mittwochnachmittagsgerangel beim Waschen ihrer Manneszier am Wasserkrug getroffen hatten. Die »Platon«-Gemeinde verfügte über bemerkenswerte Reichweite. Und das war nur ein Aspekt unseres heutigen Besuchs, den eine Aura der Doppelmoral umgab. Schmiergelder schienen alles glitschig zu machen.
    Lalages Ablenkungsmanöver ging daneben. Petronius Longus war eindeutig nicht erheitert. »Wer ist jetzt Ihr Boss?« knurrte er sie an. »Wer führt den Laden, seit Nonnius in den höchsten Tönen gesungen und Balbinus Segel gesetzt hat?«
    »Was soll die Frage?«
    »Tja, es geht mir nicht darum, wer laut Mietvertrag die Inneneinrichtung übernehmen darf. Wer ist der starke Mann hinter Ihnen, Lalage?«
    »Ich hab’s nicht gern von hinten.«
    »Hören Sie auf mit den Anzüglichkeiten! Unter wessen Schutz steht das ›Platons‹? Wir haben vor Gericht bewiesen, daß Balbinus am Gewinn beteiligt war. Also, wer kriegt jetzt die Flocken?«
    »Niemand. Wozu auch? Ich schmeiß den Laden allein.«
    Wie wir bereits vermutet hatten. Petronius verzog zweifelnd die Mundwinkel. »Wehe, das stimmt nicht.«
    »Was soll ich mit einem Mann?« höhnte Lalage. »Ich

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