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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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schlenderten zum Circus, warfen den glutäugigen Mädchen, die uns aus den Kolonnaden obszöne Angebote nachriefen, finstere Blicke zu und wagten uns in das Labyrinth kleiner Gassen hinter dem Hippodrom. Dann bezogen wir an einem Imbißstand gegenüber vom »Platons« Position. Nachdem wir den Marmortresen mit zwei Bechern vom schlechtesten Wein, der mir seit Jahren in Rom untergekommen war, dekoriert hatten, bestellte ich mir auf Verdacht einen Teller kalte Erbsen. Petro wollte Hirn; bei Aufregung bekommt er immer absonderliche Gelüste.
    Die Erbsen schmeckten nach nichts. Das Hirn sah auch nicht so aus, als hätte es viel zu bieten, selbst wenn man bedenkt, daß Kälber keine Enzyklopädien verfassen. Wie es auch schmecken mochte, irgendwas veranlaßte Petro zu der düsteren Äußerung: »Es geht das Gerücht, daß Vespasian den Straßenverkauf warmer Speisen verbieten will.«
    »Tja, damit wäre eins der größten Probleme des Lebens gelöst: hungrig bleiben oder die Scheißeritis kriegen.«
    »Die Latrinenpächter machen sich fast ins Hemd vor Sorgen.«
    »Wieso ins Hemd? Die haben doch immer freien Eintritt.«
    Unser Geplauder sollte den Standbesitzer ablenken, während wir unser Ziel in Augenschein nahmen.
    Offiziell schien das »Platons«, einem fast vollständig verblichenen Schild über dem Eingang zufolge, die »Laube der Venus« zu heißen. Die zwei traurig blickenden, pausbäckigen Knaben im Amorkostüm, die sich zu beiden Seiten des Schildes auf Girlanden wiegten, sollten den göttlichen Eindruck wohl verstärken. Um Touristen, denen man das Etablissement unter dem volkstümlichen Namen empfohlen hatte, nicht zu verwirren, stand er in Augenhöhe in großen Lettern, direkt neben einem steinernen Priapus mit einer erschreckenden Erektion – für diejenigen, die entweder nicht lesen konnten oder es zum langwierigen Entziffern von Buchstaben zu eilig hatten. Auf der anderen Seite des Eingangs war zu lesen: Hier werden alle Männerträume wahr , dazu eine sehr eindeutige Zeichnung, die klarmachte, daß damit weder eine anständige Frau noch eine unerwartete Erbschaft oder ein friedliches Leben gemeint waren. Für alle, außer den absolut Kurzsichtigen, konnte es keinen Zweifel geben, welches Gewerbe in dem heruntergekommenen Gebäude ausgeübt wurde.
    Eine schwere Eichentür wurde durch zwei Stangen offengehalten. Sie hing zu schief in den Angeln, um sich noch schließen zu lassen. Also blieb sie wohl Tag und Nacht offen.
    Dieses beeindruckende Portal war nur wenige Fuß von uns entfernt, schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite. Fasziniert beobachteten wir den Strom von Soldaten, Matrosen auf Landurlaub, Sklaven, Freigelassenen und kleinen Geschäftsleuten, der ständig ein- und ausging. Einige der Matrosen meinten, vor der Tür noch ordentlich krakeelen zu müssen. Ab und zu hatte jemand, der wie ein Olivenölverkäufer oder Unterverwalter eines Kornhändlers aussah, den Anstand, verstohlen zu tun und erst im letzten Moment hineinzuschlüpfen. Die meisten Männer spazierten geradewegs hinein und klimperten mit ihren Münzen. Während wir aßen, kamen ein oder zwei, die wir schon beim Reingehen gesehen hatten, wieder heraus und gingen ihrer Wege, als hätten sie drinnen nur mal kurz ihre alte Mutter begrüßt. Offenbar wurden die Geschäfte im »Platons« effizient und schnell abgewickelt.
    »Ich nehme an, es gibt einen Unterschied«, bemerkte Petro philosophisch, »zwischen Männern, die kommen, weil’s verboten ist, und denen, die kommen, weil’s erlaubt ist.«
    »Versteh ich nicht.«
    »Die eine Sorte zahlt, weil sie sich am Unerlaubten aufgeilt. Aber so läuft das im ›Platons‹ nicht. Da gehst du rein, um dir mal kurz eine Nutte zu kaufen, bevor du das Huhn fürs Abendessen besorgst und deine kaputten Schuhe beim Schuster abgibst.«
    »Einkaufsbummel!« Ich kicherte albern. »Glaubst du, die Puffmutter läßt dich vorher die Mädchen betasten, ob sie auch reif sind?«
    Er stieß mir den Ellbogen in die Rippe. »Wir führen uns auf wie Rekruten, die sich fragen, was wohl im canabae vor dem Isca-Fort abgeht. Erinnerst du dich?«
    Mir war nicht ganz klar, ob mein alter Kamerad Lucius Petronius den Vergleich sinnvoll fand oder einfach albern war. »Ich glaube, ich weiß, was im canabae abging«, erklärte ich würdevoll. »Ich erklär’s dir irgendwann mal, wenn du viel Zeit zum Zuhören hast.« Diesmal trat ich rasch zur Seite und konnte seinem Ellbogen ausweichen, bevor ich blaue Flecken

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