Gnadenfrist
bekam.
Wir standen so dicht am Eingang zum Bordell, daß wir die Verhandlungen mitbekamen. Glupschäugige Fremde waren sofort auszumachen. Genau wie die römischen Goldfinken, Männer mit zuviel Sesterzen im Beutel, von geschickten Schleppern auf dem Forum wie Blumen gepflückt; sie waren hierhergelockt worden, um übertölpelt, geschröpft und womöglich erpreßt zu werden. Ansonsten ließ sich unmöglich sagen, in welchen verknautschten Tuniken normale Kunden steckten, die beim Brettspiel das Glücksspielverbot umgehen wollten, und wer ein kleiner Gauner aus der Unterwelt war, der hier auf Neuigkeiten über lohnenswerte Einbruchsobjekte hoffte.
Frauen waren kaum zu sehen.
»Zu beschäftigt?« spekulierte ich.
»Ihre Verträge sehen keine längeren Spaziergänge im Freien vor.« Petro hielt die Nutten im »Platons« für Sklavinnen.
Inzwischen hatten wir unser Mahl beendet. Wir bezahlten und gaben nur ein mageres Trinkgeld. Der Standbesitzer hatte nichts anderes erwartet, spuckte uns aber trotzdem verächtlich nach. Petro sagte über die Schulter: »Mach das noch mal, und du bist deine Lizenz los.« Der Mann knurrte irgendwas, das wir nicht ganz verstanden.
Beim Überqueren der Straße warfen wir uns einen Blick zu. Wir waren zwar in offiziellem Auftrag unterwegs, kamen uns aber doch wie Verschwörer vor.
»Wenn meine Mutter davon erfährt, geb ich dir die Schuld.«
»Falco, wegen deiner Mutter brauchst du dir keine Sorgen machen, ich wüßte da jemand viel …«
Damit irrte er sich, aber den Eingang durch einen Streit zu blockieren, war nicht angesagt. Also gingen wir hinein.
Ein aufgedonnertes Geschöpf in roter Toga, dem gesetzlich vorgeschriebenen Erkennungszeichen ihres Gewerbes, nahm das Geld entgegen und traf die Vereinbarungen. Daß die Toga zinnoberrot war, sie wie eine Mohnblume leuchten ließ, war ebenso wenig notwendig wie sie innerhalb des Bordells zu tragen; diese Dame machte sich über das Gesetz lustig, indem sie es übergenau erfüllte. Keines der anderen Mädchen trug eine Toga; genaugenommen waren sie nur spärlich bekleidet – so sie denn überhaupt Kleider besaßen. Die Türhüterin wurde von einem schlappen Kerl überwacht, den sie zu Recht ignorierte. Der Knabe hätte noch nicht mal ein Federgewicht rausschmeißen können, ganz zu schweigen von einem entschlossenen Randalierer. Doch von einem Schlaffi beschützt zu werden, schien sie nicht weiter zu stören. Sie sah aus wie ein Mädchen, das selbst kräftig zulangen konnte.
»Hallo, Jungs. Euch hab ich hier noch nie gesehen. Ich heiße Macra und werde dafür sorgen, daß sich all eure Wünsche erfüllen.« Genau die Verkaufstaktik, die ich nicht leiden kann.
»Er heißt Falco, und ich bin Petronius. Wir sind von den Vigiles«, verkündete Petro sofort. Ich hatte mich schon gefragt, wie er diesen Aspekt einbringen würde.
»Wir freuen uns immer, unsere treusorgenden Wächter begrüßen zu dürfen …« Offensichtlich hatte man sie wegen ihrer guten Manieren für diesen Posten ausgewählt, ihr Ton klang allerdings spöttisch. Ihre Augen verengten sich ein wenig, als sie einzuschätzen versuchte, was wir erwarteten. Daß wir zu keiner Patrouille gehörten, hatte sie gleich erkannt. Und genausowenig zur Sechsten Kohorte, den Zuständigen für diesen Bezirk, die sie mit Sicherheit gut kannte. Also beschloß sie: zum Büro des Präfekten , allenfalls noch zum Stab der Tribunen , was für sie gleichbedeutend war mit Unruhestifter . Da sie zweifellos eine tatkräftige junge Dame war, entschied sie sich für rausfinden, was die wollen, und ihnen gleichzeitig Honig ums Maul schmieren. »Wir führen ein anständiges Haus mit ansprechenden und sauberen jungen Mädchen. Ich hätte da vielleicht etwas Ausgefallenes für Sie«, bot sie an. »Wir bemühen uns stets um unsere Gesetzeshüter.« Ihr Blick schoß zu dem Schlaffi hinüber. Selbst wir sahen, daß sie Verstärkung haben wollte, aber er reagierte nicht.
»Etwas Ausgefallenes«, wiederholte Petronius nachdenklich.
Macra nahm an, er wolle auf ihr Angebot eingehen, und wurde freundlicher. »Da Sie sich zum ersten Mal hier unterhalten lassen, geht das aufs Haus. Darf ich Ihnen Itia vorschlagen? Sie ist ein liebliches Geschöpf, frei geboren und arbeitet normalerweise nur auf Voranmeldung. Einer nach dem anderen, ist Ihnen das recht? Für beide zusammen müßten wir leider einen kleinen Obolus erheben.«
»Frei geboren?« fragte Petro. »Dann können Sie mir sicher sagen, bei welchen
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