Gnadenfrist
Bande?«
»Nein. Mit denen hatte ich nie etwas zu tun.«
»Stimmt es, daß sie sich alle außerhalb von Rom aufhalten?«
»So wurde mir berichtet. Vertrieben von den Vigiles.«
»Sie können mir also nicht sagen, ob einer von ihnen hinter dem Diebstahl im Emporium steckt?«
»Ach, gab es einen Diebstahl?« säuselte Flaccida, diesmal kaum bemüht, ihr Wissen zu verbergen. Der Überfall war sicher nicht als nationale Heldentat im »Tagesanzeiger« veröffentlicht worden, war aber noch am gleichen Tag in allen Badehäusern Thema gewesen. Flaccida zeigte uns nur die übliche Unschuldsmiene eines gewieften Gauners.
»Ein gewaltiger. Jemand, der ganz hoch hinaus will, muß ihn organisiert haben.« Zum Beispiel Flaccida selbst. Falls sie es war, ließ sie sich jedoch nichts anmerken. Wie würde sie wohl auf eine Rivalin reagieren? »Kennen Sie Lalage?«
»Lalage?«
»Die Besitzerin eines Bordells namens ›Platons Akademie‹.« Helena, die den gebräuchlichen Namen für die »Laube der Venus« noch nicht kannte, unterdrückte ein Kichern. »Eine Geschäftspartnerin Ihres Mannes.«
»Ach ja. Ich glaube, wir sind uns mal begegnet.« Vermutlich waren sie Busenfreundinnen, aber das würde Flaccida bei einer offiziellen Befragung niemals zugeben. Sie würde lügen, selbst wenn es keinen Grund dafür gab. Lügen war für sie eine Selbstverständlichkeit.
»Meinen Sie, Lalage könnte dort weitermachen, wo Ihr Mann aufhören mußte?«
»Woher soll ich das wissen? Da fragen Sie sie besser selbst.«
»Das hab ich schon. Sie kann mindestens so gut lügen wie Sie.« Der Sache allmählich überdrüssig, wechselte ich das Thema: »Noch mal von Anfang an. Nonnius Albius, ehemaliger Partner Ihres Mannes, hat ihn verraten. Man könnte annehmen, daß nun, da Balbinus das Römische Reich verlassen hat, Sie an seiner Stelle Rache an Nonnius genommen haben.«
Dieser Vorwurf, obwohl unbewiesen, hätte genauso auch aus dem Mund eines Anklägers vor Gericht kommen können. Flaccida begann, sich ernstlich zu verteidigen. »Sie haben kein Recht, einer schutzlosen Frau solche Vorwürfe zu machen.« Von Gesetz wegen stimmte das. Eine Frau mußte einen männlichen Vertreter haben, der für sie in der Öffentlichkeit sprach. Die Antwort war gut eingeübt. Von den Frauen, die ich kannte, würden nur wenige diesen Widerspruch erheben. Doch von meinen weiblichen Bekannten mußte sich auch kaum eine hinter dem Gesetz verstecken.
»In Ordnung, ich entschuldige mich.«
»Soll ich die Frage aus dem Protokoll streichen?« unterbrach Helena bescheiden.
»Ich glaube, das spielt keine Rolle, da die Dame sie nicht beantwortet hat.«
Helena lächelte leise über meine Verärgerung. Mit einer Stimme, die aufrichtig klang, aber eigentlich skeptisch war, meinte sie: »Vielleicht hat Flaccida jetzt, wo ihr Mann weg ist, ja einen Vormund, der für sie agiert?«
»Ich habe einen Vormund und einen ganzen Stall voller Anwälte, und falls Sie Geschäftliches wissen wollen«, bellte Flaccida, wobei sie das Wort »Geschäftliches« so klingen ließ, als sei ihre Familie nur mit Kameenschnitzen oder Muschelfischen beschäftigt, »sollten Sie sich an die entsprechende Vorgehensweise halten.«
»Mir einen Termin geben lassen?« Ich grinste, aber mein Ton war bitter. »Eine Liste von Fragen an einen aufgeblasenen Togaträger schicken, der mir erst mal glatte Fünfhundert abknöpft, bevor er sagt, daß Sie keinen Kommentar abgeben können? Eine Verleumdungsklage riskieren, wenn ich dieses Gespräch in der Öffentlichkeit erwähne? Aus der Basilica Julia aufgrund ominöser Vorwürfe ausgeschlossen werden? Entdecken, daß niemand auf dem Forum mit mir reden will? Bei jedem Besuch in den Thermen riskieren, daß meine Kleider verschwinden? Herausfinden, daß die Miete meiner Mutter verdreifacht worden ist, vor die Desertierungskommission der Armee zitiert werden, Eselsdung in meinem Hausflur finden?«
»Sie kennen das wohl schon.« Flaccida lächelte. Offenbar gefiel ihr der Gedanke.
»Oh, ich weiß, wie diese Art Einschüchterungen funktioniert.«
»Zum Glück für Sie haben Sie mir Ihren Namen nicht genannt!«
»Ich heiße Falco.« Ich hätte einen falschen Namen angeben können, wollte mich aber nicht auf das Niveau dieser Leute herablassen. Wenn sie mich demütigen wollten, mußten sie mich erst mal finden. Meine normalen Klienten waren einfacher und schäbiger; bei Großkriminellen war ich nicht sonderlich bekannt.
»Und wer ist Ihre Freundin?« Diese
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