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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Silberring, den sie nie ablegte. Man konnte sie für eine Sklavin halten. Ich versuchte, sie mir als gutgeschulte Freigelassene vorzustellen, die ich von einer Tante geerbt hatte. Helena wirkte völlig gelassen, brauchte für sich keine Erklärung.
    Ich zeigte Flaccida ein dünnes Lächeln. »Ich arbeite eng mit Marcus Rubella zusammen, dem Tribun der Vierten Kohorte der Vigiles.«
    »Demnach kommen Sie vom Büro des Präfekten?« Flaccidas Stimme hatte einen rauchigen Klang, der von einem vergeudeten Leben an schlecht gelüfteten Orten herrührte.
    »Nicht so ganz. Gewöhnlich vertrete ich Höherstehende …« Hierbei vage zu bleiben, war einfach. Die Hälfte der Zeit wußte ich selbst nicht, für wen ich arbeitete. »Ich habe Ihnen etwas mitzuteilen, und ich muß Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    Sie verzog mißmutig den Mund, bedeutete mir aber ungeduldig, Platz zu nehmen. Ihren Bewegungen fehlte die Anmut. Sie ließ sich auf eine Liege fallen, während ich mich auf die gegenüberliegende setzte. Es waren hübsche, versilberte Möbelstücke mit geflügelten Greifen als Armlehnen und geschwungenem Rücken, aber sie wirkten ein wenig zu klein für den Raum. Wir hatten Flaccida in einem mehr oder weniger möblierten Salon vorgefunden, doch im Sitzen bemerkte ich die nackten Vorhangstangen. Verfärbte Stellen an den Wänden zeigten, wo früher Regale mit Ausstellungsstücken gestanden hatten. Dunkle Flecken an der Decke zeugten von einem Kronleuchter, der dort nicht mehr hing.
    Helena hatte sich bescheiden ans Ende meiner Liege gesetzt, eine Notiztafel auf den Knien. »Meine Assistentin wird sich ein paar Notizen machen«, informierte ich Flaccida, die darauf mit einer gleichgültigen Geste reagierte. Interessant, daß sie Helenas Anwesenheit so bereitwillig akzeptierte.
    »Worum geht es?«
    »Unter anderem um Ihren Mann.«
    »Mein Mann ist im Ausland.«
    »Ja, ich habe ihn vor seiner Abreise kurz kennengelernt. Wie werden Sie jetzt zurechtkommen? Ich habe bemerkt, daß das Haus zum Verkauf steht.«
    »Ich werde bei meiner Tochter und meinem Schwiegersohn wohnen.« Ihr Ton war trocken genug, jedes mögliche Mitgefühl zu zerstören. Sie war noch zu jung für diesen Schritt – weder verwitwet noch geschieden. Das Zusammenleben mit der jüngeren Generation würde nicht gutgehen. Irgend etwas an ihrem Benehmen machte klar, daß sie sich noch nicht einmal Mühe geben würde.
    »Ihre Tochter muß ein großer Trost für Sie sein«, sagte ich. Noch bevor ich sie kennengelernt hatte, tat mir das Mädchen leid.
    »Nun sagen Sie schon, weswegen Sie gekommen sind«, schnappte Flaccida. »Was haben Sie mir mitzuteilen? Ist jemand gestorben?« Ich beobachtete sie genau, während ich ihr von Nonnius Albius erzählte. »Dieser Verräter!« Das sagte sie ziemlich ruhig. Ich fing zufällig Helenas Blick auf und entnahm ihm, daß sie der Ansicht war, Flaccida hätte bereits davon gewußt.
    »Vermutlich sind Sie froh, das zu hören?«
    »Stimmt.« Sie sprach immer noch ganz flach. »Er hat mein Leben ruiniert.«
    Ich beschloß, all die Menschen, deren Leben durch das Verbrecherimperium ihres Mannes ruiniert worden war, gar nicht erst zu erwähnen. »Nonnius wurde ermordet, Flaccida. Wissen Sie etwas darüber?«
    »Nur, daß ich dem Täter gerne einen Lorbeerkranz verleihen würde.«
    »Er wurde zuerst gefoltert. Es war sehr unerfreulich. Ich könnte Ihnen die Einzelheiten schildern.«
    »Ja, tun Sie das.« Sie sprach mit einer aufreizenden Mischung aus Verachtung und Vergnügen. Ich fragte mich, ob Flaccida wohl fähig war, einem Mann ein Weingefäß über den Kopf zu rammen und dann den Rest von ihm verstümmeln zu lassen, während er erstickte. Sie saß sehr still da, musterte mich mit halbgeschlossenen Augen. Man konnte sie sich leicht als Initiatorin eines solchen Schreckens vorstellen.
    Diverse bleiche Dienerinnen waren bei der Befragung zugegen. Ein rascher Blick bestätigte, daß die meisten unterernährt waren, mehrere hatten Striemen und Blutergüsse auf den Armen, und bei einer waren die Überbleibsel eines blauen Auges zu sehen. Flaccidas makellose Frisur war mit einem Maß von Gewalt zustande gekommen, die einer Gladiatorenschule würdig war.
    »Wußten Sie, welche Art von Geschäften Ihr Mann tätigte?«
    »Was ich weiß, ist meine Sache.«
    Ich versuchte es weiter. »Haben Sie einen der Männer, mit denen er zusammenarbeitete, in letzter Zeit gesehen? Den Müller? Klein-Ikarus? Julius Cäsar und den Rest der

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