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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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erklärte mir Helena trocken. Milvia hatte wenigstens den Anstand, besorgt zu schauen, weil ihr Gegenüber so unbeeindruckt war. Helena Justina war ein höflicher Mensch (wenn sie beschloß, es zu zeigen). Doch unter dem höflichen Äußeren war sie gewitzt und zäh. Normalerweise machte sie mich damit fertig; jemand anderen in ihren Fängen zappeln zu sehen, war eine hübsche Abwechslung. Ich mußte zugeben, daß sie es sehr gut machte – auch wenn die Antworten enttäuschend waren. »Sind Sie je einer eher exotischen Geschäftsfrau namens Lalage begegnet?« fuhr Helena unverdrossen fort.
    »Ich glaube nicht. In welchen Geschäften ist sie denn tätig?«
    »Sie führt ein Bordell.« Helenas Stimme blieb ganz ruhig.
    »Oh nein«, kreischte das schockierte Püppchen. »So jemanden habe ich nie kennengelernt!«
    »Ich auch nicht«, meinte Helena mißbilligend. »Aber man sollte sich bewußt sein, daß solche Orte und solche Menschen existieren.«
    »Besonders«, warf ich ein, »wenn solche Orte einem die Erziehung bezahlt und die Mitgifttruhe gefüllt haben! Wenn sie leugnet, von Bordelleinnahmen gewußt zu haben, frag Balbina Milvia doch mal, woher ihrer Meinung nach das Geld ihrer Familie stammte?«
    Helena warf Milvia einen fragenden Blick zu, und das Mädchen murmelte: »Aus irgendeiner Art Handelsgeschäft, nehme ich an.«
    »Sehr gut. Vom Verkauf gestohlener Gegenstände und Prostitution.«
    »Bitte, Falco.« Das war Helenas Verhör, also hielt ich die Klappe. »Stammt Ihr Mann auch aus einer Kaufmannsfamilie?« fragte Helena nachdenklich.
    »Ich glaube, sein Vater war Steuereinnehmer.«
    Beinahe hätte ich laut losgeprustet. Zum ersten Mal kam mir das Eintreiben von Steuern wie ein anständiger Beruf vor.
    »Und was macht Florius?« fragte Helena.
    »Oh, Florius muß nicht arbeiten.«
    »Wie schön für ihn. Womit verbringt er denn seine Zeit, Milvia?«
    »Ach, mit diesem und jenem. Was Männer eben so tun. Ich spioniere ihm doch nicht nach!«
    »Warum? Interessiert es Sie nicht?« forderte ich sie heraus. »Er könnte sich mit anderen Frauen herumtreiben.«
    Sie errötete sittsam. »Ich weiß, daß er das nicht tut. Er ist mit seinen Freunden zusammen.«
    »Könnte es sein, daß diese Freunde, mit denen er so dick ist, zufällig Kriminelle sind?«
    »Nein.« Wieder sah Milvia Helena flehend an, als erhoffte sie sich Schutz vor meinen ungerechtfertigten Angriffen. »Florius geht in die Bäder und zu den Rennen, und er redet mit Leuten auf dem Forum und schaut sich Kunst in den Portiken an …«
    »Wie nett!« sagte ich. Das schloß eine Verbrecherkarriere nicht aus. All diese Aktivitäten waren Alltagsroutine in Rom – und alle boten ideale Tarnung für die Organisation eines ausgedehnten Unterweltimperiums.
    »Demnach ist Florius ein Mann von Welt«, sinnierte Helena. »Ein Lebemann.« Florius behielt eine reine Weste, während er das Geld seines Vaters ausgab und dazu das, was seine Frau mit ihrer zweifelhaften Verwandtschaft für die Ehrbarkeit bezahlt hatte. Er klang wie der typische Mittelschicht-Parasit.
    »Wer ist der Erbe Ihres Vaters?« fragte ich plötzlich.
    »Oh, Himmel, ich habe keine Ahnung!« Vielen Dank, Milvia; immer noch der Rolle treu.
    In diesem Moment trat eine Sklavin mit einem Tablett ein, auf dem die nachmittägliche Erfrischung für die junge Dame stand, dazu der exquisite Bronzebecher, aus dem sie trinken sollte. Milvia gab ihr die leere Obstschale (eine schwere, vergoldete Angelegenheit mit hübscher, eingravierter Bacchantenszene). Die Dienerin goß ein wenig von dem kräftig aussehenden Rotwein ein, stark gewürzt, wie man an dem Sieb erkennen konnte. Kaltes Wasser wurde aus einem Glaskrug hinzugefügt. Wir wurden eingeladen, mitzuhalten, lehnten aber beide ab. Helena trank nur mit mir; ich trank nie mit anderen Frauen, wenn Helena dabei war. Außerdem mochte ich meinen Wein nicht so verwässert.
    »Was für ein wunderschöner Wasserkrug!« rief Helena, die sich selten in fremden Häusern über die Besitztümer ihrer Gastgeber ausließ.
    »Gefällt er Ihnen?« Milvia nahm ihn vom Tablett, goß den Inhalt in eine Blumenvase und reichte ihn Helena. »Nehmen Sie ihn als Geschenk an!«
    Das Angebot kam so spontan, daß es mir schwerfiel, es als Bestechung aufzufassen. Die Sklavin wirkte nicht überrascht. Balbina Milvia schien zu jenen Frauen zu gehören, die alle und jeden mit viel zu teuren Geschenken überhäuften. Als einziges Kind von Eltern, die sich in einem engen und

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