Gnadenfrist
Flaccida war ein mieses Stück. Es war eine Drohung gegen Helena – und keine allzu subtile.
»Niemand, mit der Sie sich anlegen sollten«, antwortete ich kühl.
»Ungewöhnlich, einen Beamten mit einem weiblichen Schreiber zu sehen!«
»Sie ist ein ungewöhnlicher Schreiber.«
»Ich nehme an, Sie schlafen mit ihr?«
»Solange es ihre Handschrift nicht beeinträchtigt …« Ich erhob mich. »Wir werden Sie nicht länger belästigen. Ich mag nur ungern meine Zeit verschwenden.«
»Und ich mag Sie nicht«, erklärte mir Flaccida offen. »Belästigen Sie mich nicht wieder!«
Ich sagte zu Helena: »Mach eine Notiz, daß die Frau von Balbinus Pius sich geweigert hat, Routinefragen zu beantworten, und dann die höflichen Erkundigungen eines Zivilermittlers als ›Belästigung‹ bezeichnete.«
»Verschwinden Sie!« kreischte die unechte Blondine.
In manchen Kreisen sind die Frauen furchterregender als die Männer.
XXXIV
»Das hast du ja gründlich versaut!« Helena Justina war stinksauer auf mich. »Führst du deine Befragungen immer so durch?«
»Wieso? Ja, mehr oder weniger.«
»Soll das heißen, manchmal werfen dich die Leute gleich raus?«
»Manchmal lassen sie mich gar nicht erst rein«, gab ich zu. »Aber es kann auch besser laufen.«
»Ach? Wenn sich die Frauen dir an den Hals werfen?«
»Natürlich gewöhnt sich ein gutaussehender Mann wie ich daran, Fragen zu stellen, während er sich gewisser Aufmerksamkeiten erwehren muß.«
»Mach dir doch nichts vor. Sie hat dich regelrecht massakriert!« grummelte Helena.
»Ach, das würde ich nicht sagen. Aber was für eine starrköpfige alte Hexe! Zumindest hat sie uns vorgeführt, wie’s bei Gangsterbossen zugeht: Lügen, Drohungen und der Wink mit dem Gesetz.«
Wir standen auf der Straße vor Flaccidas Haus und kabbelten uns. Mir machte das nichts aus. Ein Streit mit Helena munterte mich stets auf. Solange sie das Gefühl hatte, ich sei einen Streit wert, war das Leben nicht vollkommen hoffnungslos.
»Du hast nichts von ihr erfahren, ihr aber alles über deine Ermittlungen erzählt – plus der Tatsache, daß du nichts beweisen kannst! So kommen wir nicht weiter«, fuhr Helena aufgebracht fort. »Wir müssen zu ihrer Tochter, und zwar schnell, bevor die Mutter sie warnen kann. Und diesmal überläßt du mir das Reden!«
Mit Helena als Partner zu arbeiten, war das reinste Vergnügen. Großmütig gab ich nach, und wir machten uns auf den Weg zu dem Mädchen.
Milvia und ihr wettsüchtiger Ehemann Florius lebten nicht weit entfernt. Vielleicht war Balbinus so auf den jungen Ritter aufmerksam geworden, dem er seine Tochter angedreht hatte. Wie dem auch sei, dieses Haus war sogar noch größer und prächtiger als das, aus dem uns Flaccida gerade rausgeworden hatte. Was vermutlich bedeutete, daß wir hier mit einem noch rascheren Rauswurf rechnen mußten.
Der Ehemann war ausgegangen. Die junge Frau empfing uns. Sie war um die zwanzig, dunkelhaarig, klare Züge, sehr hübsch. Keine Ähnlichkeit mit ihren Eltern. Sie trug ein extrem teures dunkelrotes Seidenkleid mit Stickerei aus Silberfäden. Nicht sonderlich praktisch, wenn man Birnen in Honigsoße aß, was sie gerade tat. Irgendwie bezweifelte ich, daß die junge Milvia sich je Gedanken um Wäscherechnungen gemacht hatte. Ihr Juwelier hatte mehr Geschmack als der ihrer Mutter; sie war mit einer kompletten Schmuckgarnitur aus altem griechischen Gold herausgeputzt, inklusive eines netten kleinen Stirnreifs um ihr dichtgelocktes Haar.
Sie empfing uns allein, so daß ich nicht feststellen konnte, ob die Dienerinnen, die in diesem Haus die Brennschere schwangen, verprügelt wurden, falls sie ein Löckchen falsch plazierten. Milvia wirkte intelligent genug, um ihre Dienerschaft mit Tücke zu steuern. Oder sie zu bestechen.
Das Heft fest in der Hand, schenkte Helena ihr ein Lächeln, das jede Anrichte spiegelblank geputzt hätte. »Entschuldigen Sie, daß wir Sie stören – Sie haben sicher viel zu tun. Das hier ist Didius Falco, der Ermittlungen für ein wichtiges Komitee durchführt. Er wird ruhig dabeisitzen, während wir uns unterhalten, aber Sie brauchen sich seinetwegen keine Gedanken zu machen. Man war der Meinung, Sie würden vielleicht lieber von einer Frau befragt, darum bin ich hier.«
»Ich bin zu jeder Hilfe bereit!« versprach die strahläugige, unschuldige Tochter von Gangstern, als ginge es darum, Spenden für einen neuen Tempel der Juno Matrona zu sammeln.
»Gut, vielleicht sollte
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