Gnadenlos: Auf der Flucht (German Edition)
sagte die Blondine voller Verärgerung, »aber vielleicht könntet ihr eure Meinungsverschiedenheit auf später vertagen und euch auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Wir sind gerade auf eine anders beschaffene Straße abgebogen. Was werdet ihr Jungs tun, wenn wir anhalten?«
Gid, der immer noch sein metaphorisches Superhelden-Verdienstabzeichen trug, versetzte dem Spalt zwischen den beiden Türen einen heftigen Tritt, blickte dann zu ihr herüber und lächelte sie aufmunternd an. »Uns eine Strategie ausdenken, bis sie die Türen aufmachen.«
»Dann schlage ich vor, dass wir genau das tun, und zwar schnell.«
Es stand außer Frage, dass sie das Überraschungsmoment ausnutzen und aus dem Wagen hervorstürzen mussten.
Er blickte auf sie herab. »Hast du das Kakerlaken-Motel auf eigenen Beinen verlassen?« Zak hoffte wie verrückt, dass sie die Frau nicht wie ihn bewusstlos geschlagen hatten, während sie nackt war und …
Sie nickte. »Vorne sind fünf Soldaten drin. Vielleicht noch mehr.«
Machbar. Wenn es nur so wenige waren, wenn sie ankamen.
Gideon rieb sich den Nacken und blickte sich in dem leeren Innenraum um. Genauso wie Zak hatte er bereits festgestellt, dass es nichts gab, was sie als Waffe benutzen konnten. »Bei dem Modell von dieser Marke passen bis zu sechs Personen in den Fahrgastraum.«
Zak nickte. »Dann warten wir.« Er ließ sich die heiße Metallwand hinuntergleiten und setzte sich, die Knie an den Körper gezogen, gut einen Meter von ihr entfernt hin. Gideon saß gleich daneben. »Uzis«, sagte Zak zu seinem Bruder. »KA-BARs. Verschiedene Handfeuerwaffen. Mehr Muckis als Köpfchen.«
»Ja. Hab ich gesehen, als sie mich geschnappt haben. Wollte nachsehen, was das Geschrei soll.«
Barbies Schrei. Den würde Zak noch eine Weile als Ohrwurm mit sich herumtragen. Wenn er seinen Schwanz in der Hose gelassen hätte, wäre sie jetzt nicht hier. Ob es ihm also gefiel oder nicht, er saß hier fest und war für sie verantwortlich, solange die Geschichte dauerte. Und er war verantwortlich für ihren Tod, wenn nicht schnellstens ein verdammtes Wunder geschah.
Ein leichter Schweißfilm ließ ihre Haut glänzen. Gedankenverloren wischte sie sich mit dem Ärmel ihres T-Shirts das Gesicht ab. Das verschmierte Make-up unter ihren Augen ließ diese noch größer und viel verletzlicher wirken. Ihre Lippen hatten dieselbe Farbe wie ihre Brustwarzen. Ein zartes, wehrloses Rosa. Ihr Mund hatte sich alles andere als hilflos angefühlt, als er seinen …
Zak riss seinen Blick von ihrem Mund los und schob die Erinnerung daran, wo ihr Mund letzte Nacht gewesen war, weit von sich. Verflucht! Allein ihre Lippen anzusehen beschwor die Gedanken an gestern wieder herauf und machte ihn an.
Er bemerkte, dass sie einen Kratzer am Oberarm hatte. Und einen kleineren am Handgelenk. Außerdem einen Bluterguss in Form eines Fingerabdrucks. Sie hatten ihre Spuren an ihr hinterlassen. Zaks Schläfe pulsierte, und er musste bewusst den Kiefer entspannen.
»Hör auf, mich so anzusehen!«, sagte sie ungehalten, und der nass geschwitzte Puls an ihrem Hals pochte im Takt mit seinem eigenen rasenden Herzschlag. »Ich frage mich, wo wir sind. Sie können die letzten drei Stunden mit uns im Kreis gefahren sein, obwohl ich …«
»Keine Kreise«, bemerkte Zak knapp. »Wenn es fast drei Stunden sind, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von achtzig km/h, sind wir ungefähr zweihundertvierzig Kilometer gefahren.«
»Du warst die ganze Zeit wach ?«
»Nicht die ganze«, gab er ehrlich zu, denn sie war anscheinend sauer über ihren moralischen Fehltritt mit ihm.
»Genau genommen«, sagte sie und wirkte ziemlich selbstzufrieden, »waren du und dein Freund zu Beginn dieses kleinen Ausflugs bewusstlos, und ich glaube, wir sind ein bisschen schneller gefahren, als wir die Stadt verlassen haben. Wir wurden erst langsamer, als wir vor ungefähr, hm, vielleicht zwei Stunden die Landstraße erreicht haben. Ich denke also, wir …«
»Mein Bruder, Gideon. Nicht mein Freund.« Himmel. Was war seine Mitgefangene bloß für ein scheinheiliges kleines Ding. »Und ungefähr zwanzig Minuten kommt hin. Wir sind bestimmt noch innerhalb des Nationalparks Canaima.«
Im Südosten Venezuelas gelegen verlief der Park entlang der Grenze von Guyana und Brasilien. Das riesige Gebiet war überwiegend unbewohnt und bestand aus hügeliger Savanne, dichtem Dschungel, Palmenwäldchen und blanken Klippen sowie steilen, oben abgeflachten Bergen. Sie waren
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