Gnadenlos: Auf der Flucht (German Edition)
brauche nichts. Wir haben keine Zeit, stehenzubleiben.«
»Gott«, murmelte sie und wedelte sich beim Reden mit ihrer freien Hand die winzigen Moskitos aus dem Gesicht. »Knöpf dein Hemd auf. Lass mich sehen, womit wir es zu tun haben.«
Sie schob einen Ast voller wachsartiger, lindgrüner Orchideen beiseite. »Ein Wischtuch für eine Schusswunde?«, fragte sie sich selbst laut und versuchte nachzudenken. Wie behandelte man die Wunde am besten, und was hatte sie bei sich, womit sie es tun konnte? »Weißt du eigentlich, wie surreal das alles ist? Du brauchst nicht antworten. Natürlich weißt du das. Ich habe noch nie einen Kerl mit mehr Narben gesehen als dich.«
Zak trieb sie weiter. »Das wird warten müssen. Wir müssen weiter.«
Sie riss sich los. »Sei nicht so ein Egoist! Wenn du schon nicht daran denkst, dass du hier draußen tot umfallen könntest, denk wenigstens daran, was aus mir wird, wenn du umkippst und ich ganz allein bin.« Sie funkelte zurück, als er ihr einen kämpferischen Blick zuwarf. »Wir behandeln das, so gut wir können, und dann gehen wir weiter. Sieh mich nicht so an, Stark. Das ist mein Ernst. Steh still, halt die Klappe und mach dein Hemd auf.«
»Oh, heilige …«
Sie durchbohrte ihn mit einem Blick und blieb standhaft. »Tu es.«
Zak knöpfte mit der rechten Hand sein Hemd auf. Rinnsale aus Blut waren seinen linken Arm und seine Finger hinuntergelaufen und dann zu einer braunen Kruste getrocknet, die sie fälschlicherweise für Dreck gehalten hatte.
Sie sog langsam die Luft ein, als sie das Hemd beiseiteschlug, um zu sehen, wo er angeschossen worden war. Auf Schulter und Brust waren Flecken getrockneten Blutes. Eine Schusswunde blutete, das wusste sie. Aber, Gott, als sie all dieses Rostrot auf seinem muskulösen, gesunden Körper sah, nur Zentimeter von seinem Herz entfernt, krampfte sich ihr Magen zusammen.
Er wollte weg von ihr. Sie warf ihm einen bösen Blick zu, während sie ihre Hosentaschen abklopfte. »Bleib hier.«
Sie fand, was sie gesucht hatte, und holte das Päckchen Mullbinden hervor. Mit den Zähnen riss sie es auf, wühlte in ihren Taschen herum, bis sie ein Reißverschlusstäschchen mit Pflaster und einer kleinen Tube des wasserlosen Desinfektionsgels fand, das während der Schweinegrippehysterie so populär geworden war. Mit Leichtigkeit jonglierte sie mit den Gegenständen, wählte ein paar Kompressen aus, steckte das Täschchen zurück in die verborgene Tasche und begann einen Verband für die Wunde zusammenzustellen.
Hinten an seinem Hemd war kein Rot, was wahrscheinlich bedeutete, dass die Kugel noch da drin war, direkt unter seinem Schultergelenk. Und auch wenn er die lange Machete jetzt mit Eleganz und Kraft schwang, hielt er sie mit der rechten Hand, denn die Schusswunde beeinträchtigte seine dominante Seite. Ein Beidhänder? Wundern würde es sie nicht.
»Wir können doch weitergehen, während du das machst«, schlug er vor.
»Na schön.« Zu beschäftigt, um zu widersprechen, gab sie nach. »Dann geh langsam und halte den Arm ruhig, bis ich fertig bin.«
Um Zaks Lippen zuckte es, als er einen Blick zur Seite warf und zusah, wie Acadia ihm eine Art Verband anlegte, während sie lief, schwitzte und herunterhängenden Schlingpflanzen auswich, die genauso gut Schlangen sein konnten. Sie war eine bemerkenswerte Frau.
»Alles wird gut«, sagte er zu ihr. »Vertrau mir.«
»Das tue ich«, sagte sie geistesabwesend, ohne von ihrer Tätigkeit aufzublicken. Was sie genauso reif für die Klapsmühle machte, wie er es war.
Acadia Gray war eine erfindungsreiche Frau, die man dabeihaben musste – und das war gut so, denn Zak wusste, dass sie in den kommenden Stunden ihren Erfindungsreichtum voll ausschöpfen würde. Er konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen, darauf, nun ja, konzentriertzu bleiben. Aber sein Hirn raste mit einer Million Meilen pro Minute und grübelte darüber nach, was mit Acadia passieren würde, wenn er das Bewusstsein verlieren sollte. Nichts Gutes. Er hätte sie nicht gebraucht, um ihn auf das Offensichtliche hinzuweisen. Wenn er bewusstlos wurde – Scheiße, wenn er starb –, hatte sie die Arschkarte gezogen.
Allein wäre sie verloren. In einem Urwald, der so groß war, dass die Chancen, gerettet zu werden gegen null tendierten. Hatte Gideon es geschafft, den Guerillas zu entkommen, oder waren sie ihm auch schon dicht auf den Fersen? Piñero hatte keinen zweiten Suchtrupp erwähnt, als sie
Weitere Kostenlose Bücher