Gnadenlos (Sara Cooper)
wegen der Kohle. Er hat noch nichts herausbekommen und verlangt immer mehr Geld. Jane hatte mich die ganze Zeit vor ihm gewarnt. Aber ich wollte ihm eine Chance geben, auch wegen damals.“
Matt verstand kein Wort. „Wegen damals?“, hakte er nach. „Woher kennst du denn den Kerl?“
Rick nahm erneut einen Zug, seine Hände zitterten leicht. „Wir kennen uns seit unserer Kindheit, sind zusammen aufgewachsen und haben später zusammen studiert. Dann lief Toms Leben aus der Bahn.“
Matt stutzte. „Ja, und? Was ist geschehen? Und was hast du damit zu tun?“
Rick drückte die Zigarette aus und verschränkte seine Arme vor seinem Körper. Er sprach leise. „Damals ist etwas Schreckliches passiert.“
Kapitel 59
Bangkok
Sara genoss die frische Luft auf dem Balkon. Es war immer noch laut draußen, aber daran störte sie sich nicht. Jetzt würde endlich alles gut werden. Mia war aufgetaucht und morgen würde sie ihre Nichte endlich nach Hause bringen.
„Alles okay?“ Tom riss sie aus ihren Gedanken. Er stand unmittelbar neben ihr.
„Ja, mir geht es gut“, sagte Sara. Tom war so nah, dass sie den Geruch seiner Haut, seines Haares roch. „Ich bin so froh, dass wir Mia morgen treffen“, sagte sie schnell. Er lächelte und für eine Sekunde trafen sich ihre Augen. Sara hatte Mühe seinem Blick standzuhalten. „Woher kennst du nun eigentlich Rick?“ Sara suchte nach einem Gesprächsthema.
Tom setzte die Bierflasche ab und lehnte sich mit dem Rücken an das Geländer, so dass er Sara nun direkt gegenüber stand. Sie wollte einen Schritt zurückweichen, tat es aber nicht. „Rick und ich kennen uns schon eine halbe Ewigkeit. Quasi unser ganzes Leben.“ Er lächelte, zog den Augenblick in die Länge. „Aber wie das so ist, Menschen verändern sich. Auch wir. Er hat ein tolles Leben in Kalifornien, und ich habe mich für das hier entschieden.“ Er griff erneut nach seinem Bier und hielt die Flasche fest. „Seit ich hier lebe, haben wir uns nicht mehr gesehen. Jane war auch nie ein sonderlicher Fan von mir.“ Er zuckte die Schultern und beide schmunzelten. „Aber wir telefonieren oft, und als das mit Mia passiert ist, hab ich natürlich sofort meine Hilfe angeboten.“
Eine Frage formte sich in Saras Kopf, aber sie traute sich nicht, sie auszusprechen. „Warum bist du nach Thailand gegangen? Ausgerechnet Thailand?“, fragte sie stattdessen und betrachtete sein Gesicht. In ihrem Blick lag Neugier.
Ganz kurz verengten sich seine Augen, dann schien er sich zu entspannen. Er atmete tief ein und drehte sich von Sara ab, schaute in den Himmel. „Sagen wir mal so, ich hab es in Amerika nicht mehr ausgehalten. Ich bin einfach nicht mehr klargekommen.“ Seine Stimme wirkte gepresst. Ganz offensichtlich wollte er nicht weiter ins Detail gehen.
„Danke, dass du mir hilfst, Mia zu finden. Ohne dich wäre ich hier völlig aufgeschmissen“, sagte Sara schließlich.
Tom stand immer noch mit dem Rücken zu ihr und hatte die Augen geschlossen. Sie überlegte eine Sekunde, ob sie ihre Hand auf seine Schulter legen sollte, entschied sich aber dagegen. „Gute Nacht“, sagte sie leise und zog sich in ihr Schlafzimmer zurück.
Sara saß auf dem Bett und bekam kein Auge zu. Irgendetwas musste passiert sein, dass Tom alles hatte stehen und liegen lassen, um ein Leben in Thailand zu führen. Leise stand sie auf, bemüht, keinen Laut von sich zu geben. Langsam trat sie ans Fenster, lehnte den Kopf an die kühle Scheibe. Sie hatte nur ihren Slip und ein Top an. Die Klimaanlage surrte und sie schlang die Arme um ihren Körper. Auf der Straße war immer noch viel los und sie beobachtete kurz die Damen vor der Bar, die auf dem Gehweg auf und ab wanderten. Dann drehte sie sich weg. Als sie sich ins Bett legen wollte, fiel ihr Blick auf eine kleine Kommode, die neben dem Kleiderschrank stand. Obwohl sie wusste, dass sie da nichts verloren hatte, stand sie schließlich davor und öffnete eine Schublade. Darin lagen etliche Papiere und Briefumschläge. Als sie die Schublade schließen wollte, entdeckte sie einen etwas dickeren Umschlag. Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. Sie drehte sich um, aber da war nur Stille. Leise öffnete sie den Umschlag und hielt mehrere Bilder in der Hand. Sie ging zurück zum Bett und verteilte die Fotografien darauf. Auf allen war Tom mit einer weiteren Person zu sehen. Eine Frau. Sara schätzte sie auf Anfang, Mitte 20. Sie betrachtete das Gesicht genauer, die braunen
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