Gnadenlos (Sara Cooper)
da angerufen und um Hilfe gebeten, weil du wusstest, dass er in Thailand ist?“
Rick überlegte. Schließlich schüttelte er den Kopf. „Nein, er hat mich angerufen und ich habe ihm davon erzählt. Aber ich habe mir nichts dabei gedacht, weil er mich ja öfters anrief.“
Langsam begriff Matt. „Wusste Tom von Mias Reise nach Thailand?“
„Ja, natürlich, ich hatte ihm davon erzählt, schon vor Monaten.“
Matt packte Rick am Kragen und brüllte ihn an. „Tom hat Mias Entführung inszeniert. Du verdammter Idiot!“
„Aber warum sollte er das tun? Die beiden haben sich seit 15 Jahren nicht gesehen. Er weiß noch nicht mal, wie sie heute aussieht, verdammt.“ Auch Rick schrie nun und stieß Matt von sich. Doch dann stockte er und setzte sich langsam wieder. „Mein Gott“, flüsterte er.
„Was?“, fauchte Matt.
„Ich habe Tom vor einem Jahr mal ein Foto von Mia geschickt. Er hatte danach gefragt. Von Mias 17. Geburtstag.“ Er fasste sich an den Kopf.
Matts Gedanken rasten. „Verstehst du nicht? Es gibt tausend gute Gründen, warum er das getan haben könnte: weil er dein Geld wollte, weil er Rache wollte. Auch wenn er dich offiziell nie zur Verantwortung für das gezogen hat, was damals passiert ist.“
„Aber Matt...“, Rick wollte einhaken, aber sein Schwager winkte ab. Er war stinksauer.
„Es würde mich nicht verwundern, wenn du für ihn die ganze Zeit der Schuldige an dem Tod seiner Frau und seines ungeborenes Kindes warst. Vielleicht hat er nur auf einen solchen Moment gewartet. Ich weiß es nicht, Rick. Fest steht, dass deine Tochter und meine Frau in größter Gefahr sind.“
Kapitel 61
Bangkok
Es war 6 Uhr morgens, als der Nachtzug ratternd im Bahnhof von Bangkok einfuhr. Wie sehr freute sich Mia, endlich ihre Tante zu sehen und hier wegzukommen. Völlig geschafft stieg sie mit Claire und Ryan aus dem Zug. Mia streckte sich und hielt nach Sara Ausschau. Ryan registrierte ihre Enttäuschung. „Na kommt, wir gehen erst mal was essen und trinken“, schlug er vor. Sein T-Shirt war zerknittert und seine Wangen waren mit Bartstoppeln übersät. „Sara wird schon noch kommen.“ Er rieb sich seine müden Augen.
Mia lächelte zustimmend. Claire verharrte. „Ich geh schon mal nach draußen, ich brauche etwas Luft. Bringt ihr mir bitte ein Wasser mit?“
Ryan und Mia nickten. „Wir kommen gleich nach“, rief Mia ihr hinterher. Sie konnte noch immer nicht verstehen, warum ihre Freundin sich ihr nicht anvertraute.
„Ich glaube ihr kein Wort“, sagte Ryan zu Mia. „Claire ist nicht der Typ für einen One-Night-Stand.“
Vor ihnen in der Schlange an der Imbisstheke stand ein junges Pärchen, ebenfalls mit Rucksäcken, das sich liebevoll küsste. Mia drehte sich weg. Glückliche Pärchen konnte sie gerade gewiss nicht gebrauchen. „Und was denkst du wegen Claire?“ Ryan rieb sich seinen Nacken.
„Ich weiß es nicht“, war ihre kurze Antwort. In diesem Moment klingelte das Handy. „Sara?“ Mia nahm das Gespräch an und hörte die Stimme ihrer Tante.
„Ja Mia, ich bin es. Wir sind gleich da. Treffen wir uns auf dem Bahnhofsvorplatz?“
Mia lächelte. „Ja, wir holen nur schnell was zu Essen, dann kommen wir.“
„Alles klar, bis gleich.“
Die Morgensonne fand ihren Weg durch die Baumkronen. Claire hatte eine Bank im Schatten gewählt. Ihr schlechtes Gewissen plagte sie, aber sie konnte Mia einfach nicht die ganze Wahrheit sagen. Was würde ihre Freundin von ihr denken? Sie streckte die Beine aus und genoss die frische Luft. Während sie behutsam ihre Hände auf ihren Bauch legte, huschte ein Lächeln über ihre Lippen. Zum ersten Mal seit Wochen hatte sie ein gutes Gefühl. Vielleicht würde es doch noch ein Happy End geben. Zuerst wollte sie sich ihrer Mutter und ihrem Bruder anvertrauen, dann würde sie weitersehen. Claire legte ihren Kopf in den Nacken und starrte in den makellosen Himmel. Aufgrund des enormen Geräuschpegels konnte man in Bangkok an wenigen Tagen die Vögel zwitschern hören, aber dieser Morgen gehörte dazu. Die Vögel sammelten sich in Scharen in den Baumkronen. Claire lächelte und lauschte einen Augenblick ihrem Gesang, bis lautes Kinderlachen ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Platz zog. Straßenkinder tummelten sich um den Brunnen in der Mitte, bespritzten sich gegenseitig mit Wasser. Einzelne Passanten kreuzten den Platz, aber von ihren Freunden war nichts zu sehen. Ihr gingen Ryans Worte einfach nicht mehr aus dem Kopf. Was hatte Sutton
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