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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner
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du doch danach immer noch mit mi…]

    Das waren die Gedanken von Veronika! Sie versuchte den Koloss scharfzumachen, um Zeit zu gewinnen. Meine arme Veronika! Ich legte noch einen Zahn zu.

    [Sie ist genauso verseucht, wie alle seine Ratten. Er hat sogar sie infiziert. Warum denken alle Ratten eigentlich immerzu nur ans Fressen und Paaren? Sie sind doch bereits so viele! Warum haben sie denn keine Gnade mit uns Menschen? Was haben wir ihnen denn getan? Wir haben sie doch bisher in Ruhe gelassen. Bis ER mich sandte. Nun werde ich sie vernichten. Und ich werde ganz bestimmt nicht mit ihr diese bösen Dinge tun. Wahrscheinlich werde ich mir nachher ihre Brüste mitnehmen. Ich hatte schon seit langer Zeit keine frischen mehr, und die alten Brüste kann ich nicht mehr benutzen, so welk sind sie mittlerweile geworden. Eine Belohnung werde ich mir nehmen, das wird ER mir bestimmt wieder zugestehen. ER weiß doch, was ER an mir hat, ER muss mich doch auch bei Laune halten. Ich würde IHN natürlich nie verraten oder verlassen, aber ER muss sich meiner Treue sicher sein. Deshalb wird ER mir auch dieses Mal SEINE Dankbarkeit zeigen.]

    Ich empfing von beiden abwechselnd die Gedanken. Und beide dachten irres und wirres Zeug. Er, weil er eben ein Irrer war, und Veronika, weil sie spürte, wie nah sie dem Tod war. Sie konnte sicher in seinen Augen lesen, was er mit ihr vorhatte, und sie ahnte wohl auch, was er mit ihr anstellen würde, bevor es zu diesem Ende kommen würde.

    [Fick mich doch!],
dachte
sie.

    Sie wollte es nicht denken, aber sie wollte auch nicht sterben. Sie wollte auch nicht, dass er ihr weiterhin Schmerzen mit dieser grausamen Laubsäge zuführte. Sie wollte, dass Supermann ins Zimmer geschossen kam, (wer sonst hätte diesen Menschenberg aufhalten können?), und den Berg niederriss. Sie schaute unwillkürlich zur Tür. Doch Supermann kam nicht, sie zu retten. Noch nicht einmal ein gewöhnlicher Polizist. Niemand. Sie blieb mit dem Berg alleine.

    „Bitte, fick mich!“,
sagte
sie.
    Sie flehte ihn an, doch er hatte ganz andere Interessen.

    Mittlerweile hatte ich ein gutes Tempo erreicht und trieb meinen Rollstuhl mit einem gleichmäßigen Rhythmus an. Die ersten Meter war ich wie gewohnt auf dem Gehweg gefahren, doch ich hatte schnell merken müssen, dass ich dort zu langsam vorankam. Es war ein wahrer Slalomlauf gewesen. Ich erinnerte mich daran, wie mir Manfred vor einiger Zeit geraten hatte, für die Paralympics zu trainieren. Bei den Wettkämpfen musste es ähnlich zugehen. Nur dass ich hier ohne direkte Gegner fuhr, und meine Slalomstangen aus Omas, Kinderwagen, Mülltonnen, schwatzende Hausfrauen und Kinderfahrrädern bestanden. Also war ich schon bald auf die Strasse gewechselt, und hier kam ich einigermaßen zügig vorwärts. Lediglich ein paar lahme Rentner, die auf verrosteten Fahrrädern unterwegs waren, auf der Suche nach den nächsten Supermarktsonderangeboten, musste ich ab und zu überholen. Die meisten Autofahrer ließen mich in Ruhe, trotzdem ich für sie mit Sicherheit ein Verkehrhindernis darstellte. Aber nur die wenigsten Fahrer hupten oder zeigten mir die volle Pracht ihrer Mittelfinger. Behinderte hatten eben doch eine besonders große Narrenfreiheit.

    Dennoch ging es mir zu langsam voran, und ich musste mich zwingen, mein gleichmäßiges Tempo beizuhalten. Mein Sportlerhirn erinnerte sich, wie fatal es sein konnte, ein zu hohes Anfangstempo zu haben, um dann auf der Zielgeraden die Kondition zu verlieren. Was nutzte es, wenn ich in Windeseile meine Wohnung erreichte, nur um dort vor lauter Erschöpfung in Ohnmacht zu fallen? Lieber zwei Minuten später ankommen, aber dann noch genügend Kraft besitzen um…
    Ja um was denn? Um den Koloss niederzuschlagen? Ihn zu töten? Wie? Womit? Sollte ich ihn zu Tode spucken, oder ihn mit bloßen Händen die Kniekehle zudrücken? Höhere Körperpartien waren für mich doch unerreichbar. Positiv denken! Vielleicht könnte ich ihn ja von Veronika ablenken, schließlich wollte er doch
mich
haben, nicht sie. Vielleicht würde sie fliehen und Hilfe alarmieren können. Er war so besessen von dem Wahn mich zu töten, dass er sie überhaupt nicht mehr wahrnehmen würde, sobald ich auf der Bildfläche erscheinen würde. Er würde ihre Flucht noch nicht einmal bemerken. Wenn es mir dann noch gelänge, meinen Tod bis zum Eintreffen der Kavallerie hinauszuzögern, würde es wohlmöglich doch noch das ersehnte Happyend geben. Schließlich gab es das doch immer!

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