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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner
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nicht so sein wie eine Ratte. Oder wie eine Taube. Jesus hatte einmal eine Taube beobachtet, die in dem Erbrochenen eines Penners herumgepickt hatte, und sich an den halbverdauten Brocken sattgefressen hatte! Ekelhaft! Da würde er lieber verhungern, als so zu sein! Er musste weiter warten.
    Irgendwann würde der Rattenmann in sein Nest zurückkehren, das spürte er. Dann würde er seinen Hunger und seinen Durst stillen können. Er würde den Rollstuhlmann völlig aufessen, würde ihn sich komplett einverleiben. Damit würde Jesus dessen Kraft in sich aufnehmen. Er hatte keine Angst davor, dass der Rattemann ihn verseuchen könnte. Der Führer der Ratten war nicht verseucht, das wusste Jesus. Er könnte nicht mit seiner ganzen Macht existieren, wenn er infiziert wäre, wie eine Ratte, die sich aus den Abflussrohren der Menschen ernährte. Und der Rattenmann war ein
sehr
mächtiger Mann! Das hatte Jesus immer wieder gespürt. Jetzt spürte er es besonders intensiv, da er sich mitten in seinem Nest befand. Der Rattenmann war stark und mächtig, aber Jesus musste ihn besiegen, ihn vernichten. Sonst würde ER erzürnen. SEINE Macht war stärker als die des Rattenmannes. Und SEINE Macht würde Jesus die Kraft geben, den Rattenmann aus SEINEM Reich zu entfernen. Mit SEINER Macht würde er den Hunger und den Durst verdrängen. Mit SEINER Macht brachte er die notwendige Geduld auf. Die Geduld zu warten. Irgendwann würde die Ratte in ihr Nest zurückkehren.

    Ich musste dringend in meine Wohnung. Ich war fix und fertig, wollte nur noch schlafen. Vielleicht vorher noch ein halbes Nilpferd essen und ausgiebig duschen. Veronika war mir schon einige Male auf der Toilette behilflich gewesen, erstaunlicherweise war es uns beiden kaum peinlich gewesen. Sie würde mir sicher auch beim Duschen helfen. Danach würde ich mich ins Bett legen und drei Tage und Nächte durchschlafen. OK! Vorher würde ich vielleicht noch testen, in welchen Stellungen ein Behinderter noch Sex haben konnte, aber nur, um dann eben
vier
Tage und Nächte ins Koma zu fallen.

    Aber ich nahm die Warnung des Kommissars ernst. Sehr gut möglich, dass der Koloss in der Nähe meiner Wohnung auf mich lauerte. Er hatte in der Vergangenheit des Öfteren bewiesen, dass er in der Lage war, sich unsichtbar zu machen. Keine Ahnung, wie er das mit seinem imposanten Körper anstellte, aber er hatte es ohne Zweifel schon eine lange Zeit fertig gebracht. Anderenfalls säße er doch schon längst in einer Klapsmühle oder in einem Gefängnis, oder er wäre einfach bereits tot. So ein Tier wie er konnte nur überleben, wenn es wusste, wie und wo es sich verbergen musste. Das schien der Koloss genau zu wissen, wahrscheinlich hatte er es schon früh lernen müssen, um zu überleben.

    Ich konnte in ein Hotel oder in eine Pension ziehen, das wäre kein Problem gewesen. Meine besorgte Mutter hätte mir mit Sicherheit eine Suite im besten Hotel der Stadt angemietet, nur um mich in Sicherheit zu wissen. Doch war ich nicht deshalb vorzeitig aus Irland abgereist, um mich dem Koloss zu stellen? Wollte ich ihm nicht gegenübertreten, damit er endlich aus meinem Leben verschwand? Oder ich aus meinem Leben austrat? Was ja viel wahrscheinlicher war! Musste ich ihn nicht suchen, statt mich vor ihm zu verkriechen? Ich wollte nicht mehr, dass er meine Familie oder meine Nachbarn und Freunde gefährdete. Oder unbeteiligte Menschen, wie den Kommissar, der so spurlos verschwunden war. Ich war zurückgekehrt, um Schluss zu machen. Um diesen Albtraum zu beenden. Solange er lebte, konnte ich doch gar nicht ruhig schlafen. Ich
musste
ihn finden und versuchen, ihn zu vernichten! Ich hatte überhaupt keine andere Wahl. Aber nicht, bevor ich nicht wenigstens ein paar Stunden geschlafen hatte. Ich war bereits so müde, dass ich Sterne vor den Augen funkeln sah. Es wäre Selbstmord gewesen, in meinem Zustand den Kampf gegen meinen Goliath aufzunehmen. Das war es im ausgeschlafenen und satten Zustand zwar auch, aber irgendwie nicht ganz so aussichtslos.

    Ein weiteres Problem bereitete mir Kopfzerbrechen. Ich musste dringend meine Kleidung wechseln. Eine Dusche würde nicht ausreichen, um aus mir wieder einen zivilisierten Menschen zu machen. Veronika schlug das Naheliegenste vor.
    „Er kennt mich doch nicht. Warum gibst du mir nicht einfach deine Schlüssel? Ich fahre schnell in deine Wohnung, packe ein paar Klamotten zusammen, und schon in einer Stunde bin ich wieder zurück.“
    „Ich weiß nicht“,

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