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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner
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erzürnt, weil Jesus den Mann im Rollstuhl nicht beim ersten Aufeinandertreffen vernichtet hatte? Er hatte versagt, und GOTT war böse auf ihn! Jesus musste diesen Fehler unbedingt wieder gutmachen.

    Wenigstens hatte Jesus dem Mann folgen können, obwohl er wie der
Teufel
mit seinem Stahlross gefahren war. Jesus wusste nun immerhin, wo der Krüppel hauste, schon bald würde er ihn aus dem Weg räumen. Nichts und niemand durfte zwischen ihm und seinem HERREN stehen!

    Er wischte sich das warme Kaninchenblut von den Lippen, und mit einem schmatzenden Geräusch nahm er sich das, was ihm zustand. Das kleine pulsierende Herz. Der Krieger GOTTES stärkte sich vor der großen Schlacht, er durfte seinen HERREN nicht enttäuschen.

10

    Manfred und ich hatten leicht einen im Tee, obwohl wir von Irlands zweitem Nationalgetränk noch kein Tässchen angerührt hatten. Aber das Nationalgetränk Nummer1 hatte es in sich. Guinness hielt für einen Festlandeuropäer zwei Überraschungen bereit. Erstens machte es sehr schnell betrunken. Und zweitens machte es sehr lustig, was den ersten Punkt rasch vergessen ließ. Ich hatte Manfred noch nie so aufgelöst erlebt. Selbst damals bei dem Rolling Stones Konzert, zu dessen Besuch er mich hatte überreden können, war er so ruhig geblieben, wie ein Mönch, der ein Schweigegelübde abgelegt hatte.
    Nun grölte er lauthals mit den anderen Gästen im Pub, die sich erstaunlicherweise von ihm nicht aus dem Takt bringen ließen. Keine Ahnung, woher er die Lieder kannte, vielleicht flösst man sich die mit jedem Pint, Zeile für Zeile, ein.
    Ich beschränkte mich darauf, die Stücke durch heftiges Schlagen auf die Armlehnen des Rollstuhls, zu begleiten.

    Schließlich konnte ich Manfred davon überzeugen, dass wir uns noch ein Quartier für die Nacht suchen mussten, was sicher nicht einfach werden würde, da gerade Hauptsaison war. Außerdem mussten wir ja schließlich auch ein bed and breakfast finden, das einigermaßen behindertengerecht sein musste.

    Wir hatten jedoch schnell Erfolg. Bereits die dritte Pension, die wir ansteuerten, verfügte über den nötigen Platz. Die Tochter der Vermieter war seit ihrer Geburt gelähmt, also waren die Räumlichkeiten entsprechend groß. Wie uns das Paar stolz erzählte, studierte ihre Tochter seit zwei Jahren in Dublin, und sie kam nur noch in den Semesterferien nach Hause.
    Manfred und ich fühlten uns sofort sehr wohl. Manfred, weil die Frau uns mit einem kräftigen Lunch begrüßte. Ich, weil sie so natürlich mit meiner Behinderung umging. Sie stellte keine unangenehmen Fragen, sie sah mich nicht mitleidsvoll an. Sie blieb einfach ganz natürlich. Spontan entschieden wir uns, länger als die angedachten zwei Tage in Cork zu bleiben.

    Cork war für irische Verhältnisse eine große Stadt, es würde viel zu entdecken geben. Da wir uns keinen festen Urlaubsplan gesteckt hatten, gerieten wir dadurch auch nicht in irgendwelchen Terminstress.

    Mrs. Lynch erfüllte uns jeden Wunsch, glücklich, dass wir uns bei ihr und ihrem Ehemann so wohl fühlten. Morgens schliefen wir lange, dann machten wir uns auf, Cork zu entdecken. Dabei spielte ich mich als Irlandkenner auf, schließlich war ich ja schon einmal eine ganze Woche in Dublin gewesen!
    Manfred lauschte meinen Erklärungen stumm, mit einem leichten Grinsen um den Mund. Er hatte wahrscheinlich aus seinen Büchern viel mehr über dieses Land erfahren, als ich in den paar Tagen während der Klassenfahrt, die ich hauptsächlich in den Pubs in der Dubliner City verbracht hatte. Aber großzügig ließ er mich den Reiseführer spielen.
    Nach einigen Tagen hatten wir alle Kirchen, Shops und Kneipen gesehen, und wir bekamen Lust, weiterzureisen. Nach einem kräftigen Frühstück und einer herzlichen Umarmung verabschiedeten wir uns von den Lynchs. Der Dame des Hauses überreichten wir zum Dank einen kleinen Blumenstrauß. Während der kurzen Umarmung las ich das erste Mal ihre Gedanken. Sie war erstaunt, dass es in Deutschland auch andere Menschen gab, als jene, die sonst bei ihnen wohnten.
    Stolz und auch ein wenig gerührt, nahm ich ihre guten Wünsche für unsere weitere Reise entgegen.

    Wir beschlossen, noch weiter in den Süden zu fahren, bis an die Spitze, nach Baltimore. Wir vermieden die Hauptstrassen und fuhren lieber an der Küste entlang.

    Vor Kinsale lasen wir einen Tramper aus Schweden auf, dessen Bart länger war als Manfreds Haare. Manfred hatte es zuerst abgelehnt, einen Fremden mitzunehmen,

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