Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
den Stellen, an denen das Blut sich nicht gesetzt hatte, hatte ihr Fleisch eine grünliche Färbung angenommen. In ihren Unterleib waren insgesamt drei Dreiecke geschnitten worden. Ihr Kopf hing ihr auf die Brust, sodass ich ihr Gesicht nicht sehen konnte. Eine klaffende schwarze Wunde, die wie eine Halskette wirkte, war neben ihrer Kinnlade zu sehen. Das üppige weiße Haar, das schimmerte, wo es nicht mit Fliegen übersät war, verriet, dass es Alice Zoghbie war.
    Die Khakihose des Mannes war ihm ausgezogen und zusammengefaltet neben seinen linken Oberschenkel gelegt worden. Er trug zwar noch sein blaues Polohemd, doch es war hochgerollt worden bis zu seinen Brustwarzen. Der Mann war groß, schwer und etwas wabbelig. Er trug ein steifes, rötliches Toupet - ein Haarteil, das ich schon einmal im Fernsehen gesehen hatte.
    Auch über der Wölbung von Roy Haiseidens Unterleib befanden sich Dreiecke, deren Form jedoch von seinem Bauch verzerrt wurde. Sein Kopf hing nach rechts in Richtung von Alice Zoghbie, als versuchte er, sich das Geheimnis anzuhören, das sie ihm anvertraute.
    Von seinem Gesicht war nicht mehr viel übrig. Seine Genitalien waren entfernt und zwischen seinen Beinen ins Gras gelegt worden. Sie waren verschrumpelt, und etliche Käfer hatten sich mit besonders großem Enthusiasmus darauf gestürzt.
    Die Finger seiner rechten Hand waren mit denen von Alice Zoghbie verschränkt.
    Ich war in kalten Schweiß gebadet, hatte aufgehört zu atmen, während meine Gedanken rasten. Mein Blick wanderte von den Leichen ein Stück weiter zu etwas anderem nach links. Ein geflochtener Picknickkorb, gegen den eine hohe grüne Flasche gelehnt stand, die oben mit einer Metallfolie umwickelt war. Champagner. Oben auf dem Korb lagen ein paar kleinere Dosen mit goldenen Deckeln.
    Der Korb war zu weit weg, um die Etiketten lesen zu können, und dass ein Tatort sakrosankt war, wusste ich nur zu gut.
    Ich sah eine rote und eine schwarze Dose. Kaviar?
    Champagner und Kaviar, ein feines Picknick. Nackte Füße und ihr Hauskleid sprachen dafür, dass Alice und der Mann nicht die Absicht gehabt hatten auszugehen.
    Eine Schmeißfliege ließ sich auf Alice Zoghbies linker Brust nieder, krabbelte, verharrte, erkundete noch ein wenig, bevor sie abhob - und Kurs auf mich nahm.
    Ich trat ein paar Schritte zurück durch das Tor, wohl wissend, dass meine Fingerabdrücke auf der Klinke waren und bald jemand mit mir würde reden wollen. Ich ließ es offen stehen und nahm denselben Weg die Einfahrt hinunter, an dem Audi vorbei zum Bordstein.
    Der alte Mann war inzwischen ins Haus gegangen. Die Straße war wieder in Lethargie verfallen. So viele perfekte Rasenflächen. Spatzen tollten herum. Wie lange würde es dauern, bis die Geier kamen?
    Im Seville atmete ich erst einmal tief durch.
    Ich war der letzte Mensch in L. A. ohne ein verdammtes Mobiltelefon.
     
    Auf dem schnellsten Weg fuhr ich zu einer Tankstelle an der Verdugo Road. Ich war schweißdurchnässt, und mein Kragen drohte mir die Luft abzuschnüren. Ich parkte neben dem Münztelefon, sammelte mich und stieg dann aus. Einige Leute tankten, während ich versuchte, nicht so auszusehen wie ich mich fühlte.
    Die Morde fielen in die Zuständigkeit des Police Departments von Glendale, aber zum Teufel damit, ich rief Milo an.

32
    »Haben Sie eine Ahnung, wann er zurück sein wird?«
    »Ich glaube, er ist nach Downtown gefahren, um Papierkram zu erledigen«, sagte die Angestellte am Empfang, die ich jedoch nicht kannte. »Ich kann Sie mit Detective Korn verbinden. Er arbeitet mit Detective Sturgis zusammen. Ihr Name, Sir?«
    »Nein, danke«, sagte ich.
    »Sind Sie sicher?«
    Sie klang nett, deshalb gab ich ihr die hässlichen Details durch und hängte auf, bevor sie etwas erwidern konnte.
     
    Ich fuhr nach L. A. zurück und hoffte, dass unser Haus leer sein würde. Ich wollte Zeit haben, um durchzuatmen und wieder Ordnung in meine Gedanken zu bringen.
    Ich war angeekelt, noch immer völlig erschüttert. Schweiß drang aus meinen Poren, während das Bild der beiden Leichen ständig vor meinem inneren Auge aufblitzte.
    Milo und ich hatten Alice Zoghbie vor fünf Tagen besucht.
    Keine Hautablösung, keine Maden, der Beginn der Grünfärbung … Ich war kein Gerichtsmediziner, aber ich hatte genug Leichen gesehen, um davon auszugehen, dass nicht mehr als ein paar Tage seit dem Mord vergangen waren. Alice Zoghbies Post und ihre Telefonunterlagen könnten in diesem Punkt für Aufklärung

Weitere Kostenlose Bücher