Gnadentod
wirklich nichts richtig hin. Was liegt an?«
Ich schilderte ihr kurz mein Bettgeplauder mit Donny.
»Ist dieser Typ gefährlich?«, fragte sie.
»Wenn er seine Medikamente nicht bekommt, vielleicht. Ich kann nicht mit Gewissheit sagen, dass er seinen Vater nicht getötet hat, aber ich würde nicht darauf wetten.«
Ich erklärte ihr, wie ich zu diesem Schluss gekommen war.
Sie sagte: »Klingt vernünftig. Ich gebe es weiter und frage Milo, ob er will, dass ich ihn unter irgendeinem Vorwand noch länger festhalte … Hören Sie, ich weiß, dass ich Ihnen mit Billy auf den Wecker gehe, aber Kinderfürsorge ist nicht mein Ding, ich bin die Jüngste in meiner Familie. Ich hatte vor, ihm ein paar Bücher mitzubringen, wenn ich ihn morgen treffe. Gibt es irgendwas Bestimmtes, was Sie vorschlagen würden?«
»Geschichte hat ihm immer gefallen.«
»Ich hab ihm schon jede Menge historischer Bücher besorgt. Ich dachte, Belletristik wäre eine nette Abwechslung - vielleicht die Klassiker? Verkraftet er Ihrer Ansicht nach schon Les Miserables? Oder den Graf von Monte Christo, etwas in der Art?«
»Klar«, sagte ich. »Beide.«
»Gut, ich war mir nicht sicher. Wegen der Themen - Verlassenheit, Armut. Sie glauben also nicht, dass ihn das zu sehr an seine eigene Situation erinnert?«
»Nein, damit wird er prima fertig, Petra. Ich kann mir gut vorstellen, dass derartige Bücher an sein moralisches Bewusstsein appellieren.«
»Das hat er allerdings, nicht wahr?«, sagte sie. »Ich versuche immer noch herauszufinden, woher er das hat.«
»Wenn Sie es wüssten, könnten Sie’s verkaufen.«
»Und mit etwas anderem meinen Lebensunterhalt verdienen?«
»Zum Beispiel?«, fragte ich.
Sie lachte. »Nichts zum Beispiel. Ich liebe meinen Beruf.«
Am Samstagmorgen dachte ich beim Aufwachen darüber nach, wie es wäre, wenn Eric der Mörder wäre. Während des gesamten Frühstücks, das Robin und ich gemeinsam draußen am Teich zu uns nahmen, konnte ich an nichts anderes denken. Dann sah ich mich um, erkannte, wie schön die Welt war, und fragte mich, ob ich nicht nur deshalb meiner Fantasie freien Lauf ließ, weil ich nicht ertragen konnte, wenn die Dinge zu nett waren. Immerhin gab es nicht den geringsten Beweis dafür, dass der Junge - oder seine Mutter - auch nur mit Mate geredet hatten.
Mates Unterlagen dürften ein wenig Licht in dieses Dunkel bringen. Und ich war mir sicher, dass es Unterlagen gab, da Mate das, was er tat, als historisch bedeutsam betrachtet hatte und gewollt hätte, das jedes Detail für die Nachwelt aufgezeichnet würde.
Milo hatte vermutet, dass die Unterlagen bei Roy Haiseiden waren, und vielleicht hatte er Recht damit. Da Richard inzwischen sein Hauptverdächtiger war und sich der Grund für Haiseidens Scheu vor der Öffentlichkeit herausgestellt hatte, interessierte es ihn wahrscheinlich nicht mehr, den Anwalt zu fassen zu kriegen.
Gegen Haiseiden war noch keine Strafanzeige erstattet worden, aber die Tatsache, dass er der häuslichen Gewalt und des Kindesmissbrauchs beschuldigt wurde, hieß, dass andere Detectives sich an seine Fersen heften und möglicherweise einen Durchsuchungsbefehl bekommen würden. Die Zivilklage gegen Haiseiden war allerdings in Baldwin Park, dem Zuständigkeitsbereich des Sheriffs, eingereicht worden. Mein einziger Kontaktmann im Büro des Sheriffs war Ron Banks, ein Ermittler des Morddezernats und Petra Connors Freund. Ich war ihm einmal begegnet, keine ausreichende Grundlage, um ihn um einen Gefallen zu bitten.
Nachdem wir abgeräumt hatten, gingen Robin und ich Lebensmittel einkaufen, und dann nahmen wir Spike zu einem langen Spaziergang in die Hügel mit. Anschließend zog sich Robin zu einem Mittagsschlaf zurück, und ich ging in mein Büro, schaltete den Computer an und versuchte es noch mal im Internet. Über Mate gab es nichts Neues, bis auf zwei Cyberschwätzer in einem Sterbehilfe-Chatroom, die von ihrem verfassungsmäßigen Recht auf Paranoia Gebrauch machten.
Sind es nur Auswüchse meiner Fantasie, fragte sich Weißer Ritter, wenn ich unterstelle, dass im Anschluss an den Tod von Dr. Mate weitere Versuche unternommen werden, diejenigen zum Schweigen zu bringen, die den Mut haben, denen da oben den Kampf anzusagen?
Ganz und gar nicht, antwortete SchwesterLustik. Wie ich gehört habe, hat sich die Polizei aus verschiedenen Städten zusammengetan und eine Sondereinheit gegen die Euthanasie gebildet. Der Plan lautet, Leute zu töten und es so aussehen zu
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