Gnadentod
Ausgaben und Steuern. Sieht so aus, als hätte er jeden Penny festgehalten, den er verdient hat, seit er das Geschäft des Todes betreibt.«
»Dreihunderttausend«, sagte ich. »Ein niedergelassener Arzt kann in zehn Jahren wesentlich mehr Geld beiseite legen. Er ist also nicht Reiseveranstalter geworden, um reich zu werden. Es ging ihm um den Ruhm, oder er hat wirklich aus idealistischen Gründen operiert. Oder beides.«
»Dasselbe könntest du auch von Mengele sagen.« Er schlug die dünne Matratze zurück und warf einen Blick darunter. »Als hätte ich das noch nicht getan.« Sein Rücken musste ihm einen Stich versetzt haben, da er hörbar Luft holte, als er sich aufrichtete.
»Okay?«, sagte er.
Auf einmal wirkte das Zimmer bedrückend. Der Büchergeruch war hereingezogen, zusammen mit einem reiferen Aroma, das menschlicher war - männlich - und das gemeinsam mit den Mottenkugeln diesen traurigen, gesetzten Altmännergeruch ergab. Als ob nichts hier sich jemals ändern sollte. Es war dasselbe Gefühl von Schalheit und Stillstand, das ich auch oben am Mulholland wahrgenommen hatte. Wahrscheinlich spielte mir meine Fantasie einen Streich.
»Irgendwas Interessantes auf seinen Telefonrechnungen?«, sagte ich.
»Nein. Trotz seiner Publicitysucht war er keine Plaudertasche, wenn er zu Hause war. Zeitweise hat er sogar tagelang niemanden angerufen. Die wenigen Nummern, die wir vorgefunden haben, waren die von Haiseiden und Alice Zoghbie. Ansonsten nur langweiliges Zeug: der nächste Supermarkt, Thrifty Drugs, zwei Antiquariate, Schuster, Sears, Haushaltswarengeschäft.«
»Kein Handy?«
Er lachte. »Der Fernseher ist schwarz-weiß. Der Typ besaß weder einen Computer noch eine Stereoanlage. Er hatte eine normale Schreibmaschine - ich habe unbenutzte Bögen Kohlepapier in der Kommode gefunden.«
»Keine Blätter mit irgendwelchen Abdrücken als heiße Spuren? Wie im Film?«
»Klar. Und ich bin Dirty Harry.«
»Ein konservativer Typ«, sagte ich. »Aber in ethischer Hinsicht ein Revolutionär.«
Ich zog die oberste Schublade der Kommode auf und sah auf die Berge gefalteter Unterwäsche, weiß und abgerundet wie riesige Marshmallows. Auf beiden Seiten waren schwarze Socken danebengestopft worden. Die zweite Schublade enthielt stapelweise Strickjacken, alle braun und grau. Ich schob meine Hand darunter, ohne jedoch etwas zu finden. Die nächste Schublade war voller medizinischer Bücher.
»Unten sieht es genauso aus. Ich schätze, außer Menschen töten war Lesen sein größtes Hobby«, sagte Milo.
Ich ging in die Knie und öffnete die unterste Schublade, in der vier gebundene Bücher lagen, von denen die ersten drei einen verzogenen Einband und abgenutzte Kanten hatten. Ich sah mir eins genauer an. Principles of Surgery.
»Copyright 1934«, sagte ich, während mein Blick auf das vierte Buch fiel. Es war kleiner als die anderen und hatte einen rubinroten Ledereinband. Es war so neu, dass es glänzte … Goldprägung auf dem gerippten Buchrücken. Prunkvolle Goldlettern, aber das Leder hatte eine krude Textur wie eine Apfelsinenschale - Kunstleder.
Es war eine Liebhaber-Ausgabe des Beowulf, herausgegeben von einem Buchclub namens Literary Gem Society.
Ich nahm es in die Hand. Es klapperte. Zu leicht für ein Buch, dachte ich, und schlug es auf. Im Inneren waren keine Seiten, nur ein hohler Raum aus Faserplatte. Auf die Unterseite des Deckels war ein Etikett geklebt: MADE IN TAIWAN.
Eine Schachtel. Ein Scherzartikel. Und darin lag der Grund für das Klappern.
Ein Stethoskop im Kinderformat. Ein rosafarbener Plastikschlauch, Plastikhörer und -aufsatzscheibe versilbert. Die Hörer waren kaputt - sauber abgeschnitten. Silbriger Staub lag in dem Kästchen.
Milos Augen verengten sich. »Leg das bitte hin.«
Ich gehorchte. »Was ist los?«
»Ich habe diese verdammte Schublade überprüft, als ich die Bude das erste Mal auf den Kopf gestellt habe, und dieses Ding war nicht drin. Die anderen Bücher ja, aber das nicht. Ich weiß noch, wie ich mir alle Copyright-Vermerke angesehen und gedacht habe, dass Mate sich auf antike Informationen verlässt.« Er starrte in die rote Schachtel.
»Ein Besucher?«, sagte ich. »Unser Knabe aus dem Lieferwagen, der seiner Tat gedenkt? Das kaputte Stethoskop als Botschaft? >Mate ist nicht mehr im Geschäft, ich bin jetzt der Doktor«
Er bückte sich und verzog erneut das Gesicht. »Offenbar hat jemand den Plastikschlauch sauber durchgeschnitten. Dem Staub nach zu
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