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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sich fast körnig anfühlte.
    Milo öffnete die uralten Jalousien. An den Stellen, an denen Licht in die Wohnung fiel, illuminierte es die Teilchenstürme, die wir auslösten, während wir uns durch die engen, düsteren Räume bewegten.
    Es war so eng, weil praktisch der gesamte vordere Teil der Wohnung mit Bücherregalen aus Sperrholz voll gestellt war, naturbelassenes Holz mit verzogenen Brettern, die unter dem Gewicht der Gelehrsamkeit nachzugeben drohten.
    Das Leben des Geistes. Eldon Mate hatte sein gesamtes Domizil in eine Bibliothek verwandelt.
    Selbst auf den Arbeitsflächen in der Küche stapelten sich die Bücher. Im Kühlschrank fanden wir Wasserflaschen, ein verschimmeltes Stück Käse und Gemüse, das langsam weich wurde.
    Ich ging herum und warf einen Blick auf die Büchertitel, während sich der Staub auf meinen Schultern absetzte. Chemie, Physik, Mathematik, Biologie, Toxikologie. Zwei ganze Regale mit Pathologie und Gerichtsmedizin, eine andere Wand Rechtswissenschaft - Bürgerliches Recht und Strafgesetzbücher von offenbar jedem einzelnen der Vereinigten Staaten.
    In der Hauptsache handelte es sich um zerfallene Taschenbücher und schäbige Ausgaben mit gebrochenen Buchrücken und zerbröselnden Seiten, die Art von Schätzen, die man in jedem Trödelladen finden kann.
    Keine Belletristik.
    Ich ging in das kleine Hinterzimmer, in dem Mate geschlafen hatte. Drei mal drei Meter mit einer niedrigen Decke, erleuchtet von einer nackten Glühbirne, die in eine weiße Porzellanfassung in der Decke geschraubt war. Die kahlen grauen Wände waren vergilbt vom einfallenden Licht, das durch die pergamentfarbenen Markisen hereinsickerte. Das billige Feldbett und der Nachttisch nahmen den meisten Raum ein und ließen kaum Platz für eine unbehandelt aussehende Kiefernholzkommode mit vier Schubladen. Ein Zenith-Fernseher mit 25-Zentimeter-Bildschirm stand auf der Kommode - als hätte Mate für einen Ausgleich zu Mrs. Krohnfelds TV-Exzess sorgen müssen.
    Eine Tür führte zu dem angrenzenden Bad, und ich ging hinein, weil Badezimmer manchmal mehr über einen Menschen verraten als jeder andere Raum. Doch hier war das nicht der Fall. Rasiermesser, Rasiercreme, Abführmittel, Tabletten gegen Blähungen und Aspirin lagen im Arzneischrank. Innen verlief ein schmutziggelber Rand um die ganze Badewanne. Ein Stück grüne Seife mit Schleim an der Unterseite saß wie ein toter Frosch auf einem braunen Plastikteller.
    Der Kleiderschrank, schmal und gerammelt voll, verströmte ein scharfes Kampfer-Aroma. Ein Dutzend bügelfreie weiße Hemden, halb so viele graue Baumwollhosen, alle mit dem Etikett von Sears; ein schwerer schwarzgrauer Anzug von Zachary All, dessen breite Aufschläge einer längst vergangenen Mode angehörten; drei Paar schwarze geschnürte Halbschuhe, die von Schuhspannern aus Zedernholz in Form gehalten wurden; zwei beigefarbene Anoraks, ebenfalls Sears, und ein Paar schmaler schwarzer Krawatten, die an einem Haken hingen - Polyester, made in Korea.
    »Wie sah seine finanzielle Situation aus?«, fragte ich. »Das alles macht nicht den Eindruck, als hätte er viel Geld für seine Kleidung ausgegeben.«
    »Er hat es für Essen, Benzin, Autoreparaturen, Bücher, Telefon, Strom und Wasser ausgegeben. Ich habe seine Steuerformulare noch nicht zu sehen bekommen, aber da drüben waren einige Sparbücher drin.« Er zeigte auf die Kommode. »Sein Grundeinkommen scheint aus seiner Pension vom U. S. Public Health Service bestanden zu haben. Zweieinhalb Riesen pro Monat, die direkt auf das Sparkonto gegangen sind, plus ab und zu Bareinzahlungen, jede zwischen zweihundert und tausend Dollar und in unregelmäßigen Abständen. Das waren meiner Ansicht nach Spenden. Damit kommen noch mal etwa fünfzehntausend pro Jahr zusammen.«
    »Spenden von wem?«
    »Ich schätze, von zufriedenen Reisenden - oder denjenigen, die sie überlebt haben. Keine der Familien, mit denen wir geredet haben, gibt zu, Mate auch nur zehn Cent gezahlt zu haben, aber sie wollen auch nicht, dass wir denken, sie hätten jemanden angeheuert, um Grandma zu töten, nicht wahr? Folglich hat er im Jahr rund fünfzig Riesen eingenommen, und in finanzieller Hinsicht war er kein armer Mann. Die drei anderen Sparbücher waren über große Bareinlagen von jeweils hundert Riesen. Das Ganze ist niedrig verzinst, offenbar war er nicht an günstigen Anlagemöglichkeiten interessiert. Ich nehme an, dreihunderttausend sind etwa das Einkommen von zehn Jahren minus

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