Gnadentod
abzuwenden.
»Ist Ihnen innerhalb der letzten Woche noch irgendetwas eingefallen, das Sie mir sagen möchten, Mrs. Krohnfeld?«
Die Vermieterin blinzelte. Die Vorhänge des mit alten, aber billigen Mahagonimöbeln voll gestellten Zimmers waren zugezogen, sodass es im Halbdunkel lag.
Milo wiederholte seine Frage.
»Worüber sagen?«, fragte sie.
»Über Dr. Mate?«
Kopfschütteln. »Er ist tot.«
»Ist in letzter Zeit jemand vorbeigekommen, Mrs. Krohnfeld?«
»Was?«
Erneute Wiederholung. »Weshalb vorbeigekommen?«
»Um nach Dr. Mate zu fragen? Um in der Wohnung rumzuschnüffeln?«
Keine Antwort. Sie blinzelte noch immer. Ihre Hände krallten sich in die Decke und rafften sie zusammen.
Duane stolzierte auf den Set und setzte sich zwischen die beiden Megären. Er zuckte betont gleichgültig mit den Schultern und spreizte die Beine weit, sehr weit sogar.
Mrs. Krohnfeld murmelte etwas.
Milo ging neben ihrem Fernsehsessel auf die Knie. »Wie war das, Ma’am?«
»Nur ein Penner.« Sie starrte gebannt auf den Fernseher.
»Der Typ dort in der Sendung?«, fragte Milo.
»Nein, nein, nein. Hier. Da draußen. Er ist die Treppe hochgegangen.« Sie zeigte ungeduldig mit einem Finger auf das vordere Fenster. »Ein Penner - ‘ne Menge Haare - dreckig, Sie wissen schon, Gesindel von der Straße.«
»Er ist die Treppe zu Dr. Mates Wohnung hinaufgegangen? Wann?«
»Nein, nein - er hat nur versucht hochzugehen; ich hab ihn weggescheucht.« Sie war völlig fasziniert von dem orangefarbenen Melodram.
»Wann war das?«
»Vor ein paar Tagen - vielleicht Donnerstag.«
»Was wollte er?«, fragte Milo.
»Woher soll ich das wissen? Denken Sie, ich habe ihn reingelassen?« Eine der zänkischen Frauen war aufgesprungen, zeigte mit dem Finger auf ihre Rivalin und beschimpfte sie erneut. Duane hielt seine Stellung zwischen ihnen und genoss sein Dasein als Hahn im Korb sichtlich.
Piep piep piep. Mrs. Krohnfeld las die Worte von den Lippen ab, und ihr Unterkiefer klappte herunter. »Was für eine Sprache!«
»Was können Sie mir sonst noch über den Penner erzählen?«, wollte Milo wissen.
Keine Antwort. Er wiederholte seine Frage, diesmal lauter. Mrs. Krohnfeld fuhr zu uns herum. »Ja, ein Penner. Er ging …« Sie deutete mit dem Finger über ihre Schulter. »Er hat versucht hochzugehen. Ich hab ihn gesehen und aus dem Fenster geschrien, er soll machen, dass er hier verschwindet, und dann ist er abgehauen.«
»Zu Fuß?«
Sie grinste. »So ein Typ fährt keinen Mercedes. Was für ein Fiesling«, sagte sie in Duanes Richtung. »Blöde Weiber, ihre Zeit mit einem solchen Fiesling zu verschwenden.«
»Donnerstag.«
»Ja - oder Freitag… sehen Sie sich das an.« Die Frauen waren aufeinander zugestürzt und verschmolzen zu einem kratzenden, an den Haaren ziehenden Knäuel. »Blöde Weiber.«
Milo seufzte und stand auf. »Wir gehen jetzt nach oben, Mrs. Krohnfeld.«
»Wann kann ich die Wohnung wieder vermieten?«
»Bald.«
»Je eher, desto besser - blöde Weiber.«
Die Treppe zu Mates Wohnung lag auf der rechten Seite des Zweifamilienhauses, und bevor ich hinaufging, sah ich mir den Hinterhof an, der wenig mehr als ein Streifen Beton war und kaum genug Platz für den doppelten Carport bot. Ein alter Chevy, den Milo als Mates Wagen identifizierte, stand neben einem noch älteren Chrysler New Yorker. Leere Wäscheleinen warfen ein Schattenmuster aus Parallelogrammen auf den Beton. Niedrige Grundstücksbegrenzungen gaben nach allen Seiten den Blick auf die Nachbargebäude frei, meistens Mietshäuser, die Mrs. Krohnfelds Haus überragten. Wenn man hier eine Grillparty organisierte, würden eine Menge Leute wissen, was es zu essen gab.
Mate hatte Schlagzeilen gesucht und in seiner Freizeit kein Verlangen nach einem Privatleben gehabt.
Ein Exhibitionist, oder hatte Alice Zoghbie damit Recht gehabt, dass er seiner Umgebung keine Beachtung schenkte?
Wie auch immer, er war ein leichtes Opfer gewesen.
Die Tür zu Mates Wohnung hatte ein kleines Vordach. Wurfsendungen von Fastfood-Restaurants lagen auf dem Boden verstreut. Milo hob sie auf, sah sich einige davon an und ließ sie wieder fallen. Gelbes Absperrband klebte vor der einfachen Holztür. Milo riss es ab. Eine einzige Umdrehung des Schlüssels, und wir waren drin. Ein einzelnes Schloss, kein Riegel. Jeder hätte sich ohne weiteres Zugang verschaffen können.
Der Geruch nach Schimmel, Moder und Fäulnis schlug uns entgegen. Es lag so viel Staub in der Luft, dass sie
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