Gnadentod
Macht liebt, der andere dominieren möchte. Gott spielen - ein psychopathischer Monotheist - es kann nur eine Gottheit geben, also muss er jeden Konkurrenten ausschalten. Auf der Homebase des Konkurrenten. Ich sehe ihn förmlich vor mir, wie er herumläuft, in Hochstimmung über seinen Triumph, und wie er den zusätzlichen Nervenkitzel auskostet, indem er sich Zutritt zu einem offiziellen Tatort verschafft. Vielleicht ist er nachts gekommen, um die Möglichkeit zu minimieren, entdeckt zu werden, aber ganz sicher konnte er nicht sein. Wenn du oder einer deiner Kollegen aufgetaucht wäre, hätte er in der Falle gesessen. Das Schlafzimmer liegt im hinteren Teil der Wohnung, und es gibt keine Hintertür. Kein Versteck bis auf diesen Schlafzimmerschrank, und um zu entkommen, muss er durch das vordere Zimmer und sich in diesem Labyrinth von Bücherregalen verstecken. Ich glaube, der Gefahrenaspekt putscht ihn auf. Denselben Eindruck hatte ich auch von dem Mord. Eine offene Straße zu wählen, um eine Operation an Mate vorzunehmen. Die Pappblenden zu entfernen, damit Mates Leiche entdeckt wird. Sorgfältig sauber zu machen, aber den Tatort nackt zu hinterlassen. Die Notiz. Äußerste Sorgfalt kombiniert mit Leichtsinn. Ein Psychopath mit einem überdurchschnittlichen IQ. Er ist intelligent genug, auf kurze Sicht präzise zu planen, aber langfristig ist er verwundbar, weil er auf Gefahr abfährt.«
»Soll mich das trösten?«
»Er ist kein Superman, Milo.«
»Gut zu wissen. Ich habe nämlich kein Kryptonit.«
Er stand nachdenklich vor mir und ließ die Tüte in seiner Hand baumeln. Die Frau auf der anderen Straßenseite sah auf, sodass unsere Blicke sich trafen. Dann wandte sie sich wieder ihrer Zeitungslektüre zu.
»Wenn der Typ da oben herumgelaufen ist«, sagte Milo, »hat er vielleicht etwas angefasst. Nachdem die Wohnung auf Fingerabdrücke untersucht worden ist. Wir beide haben es gerade ziemlich versaut… Die Spurensicherung da wieder reinzuschicken wird ein Spaß werden.«
»Ich glaube nicht, dass er welche hinterlassen hat. So vorsichtig ist er.«
»Ich werde sie trotzdem bitten.« Er trottete langsam die Treppe hinunter. In der Mitte blieb er plötzlich stehen. »Wenn das eine Botschaft ist, an wen ist sie dann gerichtet? Bestimmt nicht an die Öffentlichkeit. Im Gegensatz zu der Leiche und der Notiz konnte er keinesfalls sicher sein, dass die Schachtel gefunden wird.«
»Zum jetzigen Zeitpunkt«, sagte ich, »spricht er mit sich selbst. Er tut alles, was er kann, um den Kick zu verstärken, Erinnerungen an den Mord wachzurufen. Er möchte vielleicht sehr gern an den Ort des Mordes zurückkehren, was ihm aber zu gefährlich erscheint, deshalb ist ein Einbruch in Mates Wohnung, selbst oder durch einen Ersatzmann, das Nächstbeste auf der Wunschliste.«
Ich dachte an etwas, das mir Richard Doss gesagt hatte … auf Mates Grab tanzen.
»Ein kaputtes Stethoskop«, sagte ich. »Wenn ich richtig damit liege, dass er die schwarze Tasche mitgenommen hat, ist die Botschaft klar: >Ich kriege die richtigen Instrumente, ihr den Schrott.<«
Wir gingen weiter. Am Fuß der Treppe sagte Milo: »Die Mitarbeiter-Theorie geht mir nicht aus dem Kopf. Ich muss an Rechtsanwalt Haiseiden denken, der eigentlich in der Stadt sein sollte. Denn wer hat mehr Zeit mit Mate verbracht? Wer war vertrauter mit der Wohnung, hatte vielleicht sogar einen Schlüssel? Der Kerl verhält sich einfach falsch, Alex. Sieh mal, Mate ist seit einer Woche tot, da sollte Haiseiden eine Pressekonferenz nach der anderen abhalten. Aber er gibt keinen Laut von sich. Ganz im Gegenteil - er kratzt die Kurve. Um die Münzen aus seinen Waschsalons einzusammeln? Erzähl mir, was du willst, dieses Arschloch versteckt sich vor irgendwas. Alice Zoghbie sagte doch, dass sich seine Tätigkeit als Anwalt auf die Vertretung von Mate beschränkt. Das spricht für ein Überengagement. Mate war Haiseldens Fahrschein zur Berühmtheit. Vielleicht ist er süchtig danach geworden, wollte mehr davon haben, nicht mehr die zweite Geige spielen. Er sieht zu, wie Mate einen Reisenden nach dem andern intravenös abfertigt, und kommt zu dem Schluss, dass ihn das zum Todesdoktor qualifiziert. Zum Teufel, vielleicht ist Haiseiden einer von diesen Typen, die Jura studiert haben, weil sie zum Medizinstudium nicht zugelassen wurden.«
»Interessant«, sagte ich. »Eine andere Sache, die ich aus dem Internet habe, geht in dieselbe Richtung, ein Zeitungsartikel über eine
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