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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Guillerma Salcido de Vega und Eldon Howard Mate hatten den Schritt gewagt.
    »Bitte sehr«, sagte sie. »Leben Sie hier in L. A.?«
    »In Oakland. Als ich davon hörte - es ist lange her, ich wusste nicht, ob ich kommen sollte. Ich habe viel zu tun, ich arbeite in einem Genesungsheim, wo ich mich um die älteren Leute kümmere. Aber ich dachte mir, ich sollte kommen. Eldon hat mir immer Geld geschickt, diese Pension, die er bekam. Jetzt, wo er nicht mehr da ist, muss ich wissen, wie es weitergeht. Ich habe den Greyhound genommen. Als ich hier ankam, konnte ich es nicht fassen. Was für ein Chaos in dieser Stadt herrscht, alle Straßen sind aufgerissen. Ich bin mit dem städtischen Bus gefahren und wusste nicht mehr, wo ich war. Ich bin noch nie hier gewesen.«
    »In L. A.?«
    »In L. A. schon, aber noch nie hier.« Sie zeigte mit einem ihrer dicken Finger auf das Zweifamilienhaus. »Vielleicht war die ganze Sache ein Zeichen.«
    »Ein Zeichen?«
    »Was Eldon zugestoßen ist. Ich meine nicht, dass ich eine Prophetin bin. Aber wenn Dinge passieren, die nicht natürlich sind, heißt das manchmal, dass man einen großen Schritt tun muss. Ich dachte mir, ich sollte ein paar Dinge herausfinden. Zum Beispiel, wer ihn begräbt. Er gehörte keiner Religion an, aber jeder sollte ein Begräbnis bekommen - er wollte nicht eingeäschert werden, nicht wahr?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Okay. Dann sollte ich es vielleicht tun. Meine Kirche würde mir helfen.«
    »Wie viel Zeit ist genau vergangen, seit Sie Dr. Mate zuletzt gesehen haben?«
    Sie legte einen Finger an die Oberlippe. »Fünfundzwanzig Jahre und … vier Monate. Seit der Geburt meines Sohnes - seines Sohnes. Eldon junior, er nennt sich Donny. Eldon mochte Donny nicht - er mochte überhaupt keine Kinder. Er hat keinen Hehl daraus gemacht, hat es mir gleich am Anfang gesagt, aber ich dachte, das wäre nur so dahergesagt, wenn er erst mal sein eigenes hätte, würde er seine Meinung schnell ändern. Also bin ich einfach schwanger geworden. Und was glauben Sie, was dann passiert ist? Eldon hat mich verlassen.«
    »Aber er hat Sie finanziell unterstützt?«
    »Nicht wirklich«, sagte sie. »Man kann fünfhundert Dollar im Monat nicht als Unterstützung bezeichnen - ich habe immer gearbeitet. Aber er hat das Geld jeden Monat geschickt, per Zahlungsanweisung, pünktlich an jedem Ersten, das muss ich ihm lassen. Nur in diesem Monat hab ich es nicht bekommen. Es war vor fünf Tagen fällig, ich muss irgendwie rauskriegen, mit wem ich in der Army sprechen muss. Es war eine Pension von der Army, und jetzt müssen sie es direkt zu mir schicken. Haben Sie eine Ahnung, wie ich mit ihnen in Verbindung treten kann?«
    »Ich kann Ihnen vielleicht eine Nummer besorgen«, sagte Milo. »Wie oft haben Sie und Dr. Mate im Lauf dieser fünfundzwanzig Jahre miteinander gesprochen?«
    »Kein einziges Mal. Er hat immer nur das Geld geschickt. Ich hab gedacht, er hätte es getan, weil er ein schlechtes Gewissen hatte. Weil er mich verlassen hat. Aber jetzt bin ich mir fast sicher, dass es nicht so war. Um ein Gewissen zu haben, muss man religiös sein, und Eldon hat an gar nichts geglaubt. Also hat er es vielleicht aus Gewohnheit getan. Solange seine Mutter lebte, hat er ihr auch immer Geld geschickt. Anstatt sie zu besuchen. Er war schon immer ein Gewohnheitsmensch und hat bestimmte Dinge immer exakt auf die gleiche Weise gemacht, jedes Mal. Hemden in einer Farbe, Hosen in einer Farbe. Er sagte, das ließe ihm Zeit für wichtigere Dinge.«
    »Zum Beispiel?«
    Sie zuckte mit den Schultern. Ihre Augenlider flatterten, sie schwankte ein wenig und drohte zu stürzen. Milo und ich fassten sie an den Schultern.
    »Mir geht’s gut«, sagte sie und schüttelte uns ärgerlich ab, während sie ihr Kleid glattstrich, als hätten wir es zerknittert. »Ich habe etwas niedrigen Blutzucker, das ist alles. Nichts Besonderes, ich muss nur etwas essen. Ich hab mir von zu Hause etwas mitgenommen, aber im Busbahnhof hat jemand meine Tupperware-Dose gestohlen.« Die schwarzen Augen richteten sich auf Milo. »Ich möchte etwas essen.«
     
    Wir fuhren mit ihr zu einem Coffee-Shop auf dem Santa Monica Boulevard in der Nähe der La Brea mit mattgoldenen Nischen, verschmierten Fenstern und von gebratenem Speck gesättigter Luft. Milo entschied sich für einen Tisch im hinteren Teil des Restaurants, von dem aus er alles überblicken konnte. In unserer unmittelbaren Nähe saßen zwei CalTrans-Arbeiter, die das

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