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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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dass er sich eine Zulassung unter einem neuen Namen beschafft hat, aber ob er seinen eigenen Wagen benutzt hat oder ein gestohlenes Fahrzeug, kann ich nicht sagen.«
    »Ich nehme an, Sie haben die Zulassungsregister bereits durchgekämmt und sämtliche Kombinationen von Burke, Rushton, Sartin, Spreen inklusive Vornamen ausprobiert.«
    »Richtig. Kein Treffer.«
    »Sie wollten Vermutungen über die Art der Wunden anstellen.«
    »»Vermutungen anstellend« Fusco lächelte. »Brutal, aber präzise, die Schnitte geführt mit einem skalpellartigen Instrument oder einem ähnlich scharfen Gegenstand. Vielleicht gab es auch so etwas wie ein geometrisches Muster.«
    »Was meinen Sie damit?«, sagte Milo mit beiläufiger Stimme.
    »In die Haut eingeschnittene geometrische Formen. Damit hat er in Ann Arbor angefangen, bei dem letzten Opfer. Er hat rautenförmige Stücke Haut aus dem oberen Schambereich ausgeschnitten. Bei einer der Frauen in Fresno waren es Kreise. Deshalb kann ich Ihnen nicht sagen, was das im Einzelnen zu bedeuten hat, sondern nur, dass er gern herumspielt.«
    »Es gab doch zwei Opfer in Fresno«, sagte ich. »Hatte nur eine der beiden Frauen geometrische Einschnitte?«
    Fusco nickte. »Vielleicht musste Burke den anderen Tatort überstürzt verlassen.«
    »Oder vielleicht«, sagte Milo, »sind ihm nicht beide Opfer zuzuschreiben.«
    »Lesen Sie die Akte und urteilen Sie selbst.« Fusco zog sein Glas näher heran und berührte die Kante seines Sandwichs.
    »Möchten Sie uns noch etwas sagen?«
    »Nur, dass Sie wahrscheinlich nicht viel verwertbares Spurenmaterial gefunden haben, wenn überhaupt etwas. Burke liebt es, sauber zu machen. Und Mate zu töten würde eine besondere Errungenschaft für ihn darstellen, die Verknüpfung seiner beiden früheren Ausdrucksformen: blutige Arbeit mit dem Messer und Pseudo-Euthanasie. In den Zeitungen stand, Mate wäre an seine eigene Maschine angeschlossen gewesen. Stimmt das?«
    »Pseudo-Euthanasie?«
    »Es gibt keine echte Euthanasie«, sagte Fusco mit plötzlicher Schärfe. »All das Gerede über Sterbehilfe, darüber, Leute von ihrem Elend zu erlösen. Solange wir nicht in den Kopf eines Sterbenden kriechen und seine Gedanken lesen können, wird sie niemals echt sein.« Er lächelte grimmig. »Als ich von dem Gemälde erfuhr, wusste ich, dass ich Ihnen gegenüber mit mehr Nachdruck auftreten musste. Burke zeichnet gerne. Sein Haus in Rochester war voller Kunstbücher und Zeichenblöcke.«
    »Wie gut ist er?«, fragte ich.
    »Besser als der Durchschnitt. Ich habe ein paar Fotos gemacht. Sind alle da drin. Aber nageln Sie mich nicht auf irgendeine bestimmte Vermutung fest, Sie müssen das Gesamtbild im Auge behalten. Ich habe Hunderte von Profilen erstellt, und irgendetwas entgeht mir fast immer.«
    »Was Sie bei Burke erstellt haben, geht weit über ein Profil hinaus«, sagte ich.
    Er starrte mich an. »Was meinen Sie damit?«
    »Es sieht so aus, als hätten Sie ihn zu Ihrem Projekt erklärt.«
    »Mein derzeitiger Auftrag besteht zum Teil darin, kalte Fälle eingehend zu untersuchen.« Er wandte sich an Milo. »Ihnen dürfte so etwas ja nicht unbekannt sein.«
    Milo wickelte die Schnur ab und öffnete den Ordner. Darin befanden sich drei schwarze Aktenmappen, etikettiert mit I, II und III. Er nahm die erste heraus und schlug sie auf. Auf der obersten Seite befanden sich fünf fotokopierte Portraitaufnahmen.
    Oben links war ein Farbfoto des zehnjährigen Schülers Grant Huie Rushton im T-Shirt. Knollennase, blonder Bürstenschnitt, süß wie ein Knabe von Norman Rockwell, nur hatte dieses Kind nicht in die Kamera gelächelt, sondern den Blick von ihr abgewandt und den Mund zu einer waagerechten Linie zusammengepresst, die wahrscheinlich unverbindlich aussehen sollte, es aber nicht tat.
    Zorn. Kalter Zorn, und darunter lag … Misstrauen? Emotionale Unsicherheit? Ein ausweichender, verwundeter Blick. Norman Rockwell meets Diane Arbus. Oder interpretierte ich auf Grund dessen, was Fusco erzählt hatte, zu viel in das Bild hinein?
    Als Nächstes kam ein Foto zum Highschool-Abschluss. Mit achtzehn sah Grant Rushton entspannter aus. Ein angenehm aussehender junger Mann in einem karierten Hemd, mit regelmäßigen Zügen mit einer leichten Tendenz zum Mopsgesicht. Er besaß einen reinen Teint, bis auf ein paar Pickel um die Nase herum, und ein kräftiges, kantiges Kinn. Sein Mund war fest geschlossen, aber in den Winkeln hochgezogen. Die Haare des Teenagers Grant waren einige

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